Sozial-Projekt Sozial-Projekt: «Wer schlägt, muss gehen!»
Cloppenburg/dpa. - Adressiert ist dasFaltblatt, das die Stadt Cloppenburg von Mitte März an verteilenwill, an die «Küchenboxer». So werden in Russland die häuslichenSchläger genannt. Das Cloppenburger Projekt ausschließlich fürAussiedler ist bundesweit das erste dieser Art. Es wird drei Jahrelang mit insgesamt 110 000 Euro vom Bundesamt für Migration undFlüchtlinge finanziert.
Unter den 33 000 Einwohnern der südoldenburgischen Kreisstadtleben 6000 - nach manchen Schätzungen 7000 - Deutschrussen aus derRegion Omsk. Offizielle Zahlen gibt es nicht, weil die Aussiedlerdeutsche Staatsbürger sind, über die keine separaten Statistikengeführt werden. Auch nicht, was die Kriminalitätsrate betrifft.Kirsten Bruns, Sozialpädagogin und Leiterin der von der Kommune undeinem privaten Trägerverein finanzierten Beratungs- undInterventionsstelle für Frauen, hat ihre eigene Statistik: «Knapp1300 Frauen haben im vergangenen Jahr unser Notruftelefon genutzt. 80Prozent waren Russlanddeutsche, sieben Prozent Ausländerinnen und 13Prozent Einheimische.»
Ihr Mitwirken am Projekt «Küchenboxer» bereitet der engagiertenHelferin der Frauen einige Kopfschmerzen. Denn ausgerechnet diegeprügelten Frauen sollen ihren Peinigern das Faltblatt in die Handdrücken, das sie von Kirsten Bruns bekommen werden. «Dreh- undAngelpunkt ist das Opfer», sagt Norbert Schilmöller, von dem die Ideezum Projekt stammt. Der Sozialpädagoge sammelt seit Jahren im Auftragder Stadt Erfahrungen in mühseliger Integrationsarbeit. Es seischwer, einen Zugang zu finden zu den «entwerteten Patriarchen», diein Russland als Hausherren Respekt genossen. Den hätten sieinzwischen bei ihren flexibleren Frauen und sprachgewandteren Kindernweitgehend verloren.
In dem Faltblatt werden die häuslichen Schläger eine Telefonnummerfinden. Wenn sie diese Nummer wählen, werden sie keine Sprachproblemehaben. Ihr Ansprechpartner wird ein kommunaler Streetworker sein, derals ehemaliger Offizier der russischen Armee und als Kickboxmeisterbei den Deutschrussen als Autorität gilt. Er soll den «Küchenboxern»die Teilnahme an einer Sprechstunde im Cloppenburger Rathausanbieten. Hier wollen Schilmöller, der nicht Russisch spricht, undder Streetworker, der wenig Deutsch kann, die nächsten Schritte derHilfe für die Täter häuslicher Gewalt erklären.
Ein zweites Faltblatt wird zunächst über die rechtlichen Folgenaufklären, falls der von der Polizei ausgesprochene 14-tägigePlatzverweis keine Ruhe in die Familie bringt und es zu einer Anzeigekommt. Schließlich soll versucht werden, in Gesprächenherauszufinden, warum der Ratsuchende ein Schläger geworden ist undwie es gelingen könnte, die Gewaltspirale zu bremsen. «Ab und zu istes auch sinnvoll, sich um die Täter zu kümmern», meint NorbertSchilmöller
«Dass den Männern geholfen wird, gibt auch ihren Frauen ein gutesGefühl», betont nicht nur Schilmöller. Kirsten Bruns muss dasbestätigen: «Wenn die Schläger von der Polizei ein Hausverboterhalten haben, rufen viele der oft jahrelang gequälten Frauen beiuns an, weil sie sich allen Ernstes Sorgen machen über dasWohlergehen ihrer Männer.»