Sorge im Vatikan Sorge im Vatikan: Muss der Papst in den Rollstuhl?

Rom/dpa. - Offiziell spricht der Kirchenstaat von Arthrose im rechten Knie.Doch da der Vatikan bislang nicht einmal die Parkinson-Krankheitoffiziell bestätigt, ist Skepsis angebracht. Seit zwei Wochen besuchtder sonst so zähe Pole keine römischen Pfarreien mehr, am Mittwochließ er gar eine Generalaudienz ausfallen. «Jetzt wollen sie ihn zweiWochen in seinen Privatgemächern einsperren», kommentiert einTheologe. Selbst Kardinäle, Bischöfe und Staatsoberhäupter, die denPapst sehen wollen, müssen mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock desApostolischen Palastes hinauffahren.
Seit Monaten zirkuliert in Rom die Möglichkeit des Rollstuhls alsletzte Rettung. Das wäre zwar für das Publikum «gewöhnungsbedürftig»,heißt es in Rom. «Aber den Papst würde es von seiner Mission nichtabhalten.» Schon seit Jahren sind seine Reisen so angelegt, dass ernie mehr als ein paar Schritte zu Fuß gehen muss. «Jetzt werden sieseine Reisen wohl bald rollstuhlgerecht anlegen müssen.»
«Aber die entscheidende Frage lautet: Ist es nur das Knie?»,kommentiert ein Journalist in Rom. Immer deutlicher wird dergesundheitliche Verfall des Polen, immer weniger lässt sich dasProblem verleugnen. Die Parkinson-Krankheit ist so weitfortgeschritten, dass die Artikulation des Papstes fast nicht mehrverständlich ist. Auf seiner bisher letzten Reise in die armenischeHauptstadt Eriwan im September waren Messebesucher derart schockiert,dass sie unumwunden zugaben, sie hätten die Papst-Predigt schlichtwegnicht verstanden.
Zeitweise wirkt der Pontifex wie geistig abwesend. Längere Terminekann er kaum noch durchhalten, er nickt ein; eine Folge derMedikamente gegen Parkinson. «Wer führt im Vatikan wirklich?», fragensich viele immer häufiger und immer offener. Kaum denkbar, dass dergeschwächte Johannes Paul alles unter Kontrolle hat. Als einer dermächtigsten Männer, die das Vakuum füllen, gilt der strengkonservative deutsche Kardinal Joseph Ratzinger.
Das Problem: Je schwächer und gebrechlicher der Papst, desto mehrneigt der Vatikan zur alten Geheimniskrämerei. «Il papa è stanco»(Der Papst ist müde) streuen die Offiziellen, wenn es wieder malschlecht steht; eine Floskel, die beruhigen soll. Jeder weiß:Parkinson ist unheilbar und führt zum körperlichen Verfall. Doch diemissliche Frage, was dann werden soll, ist im Kirchenstaat tabu.
Als der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Karl Lehmannvor Jahren die kirchenrechtliche Möglichkeit eines Papst-Rücktrittsauch nur vage andeutete, reagierte der Vatikan indigniert. Dabei wirdhinter vorgehaltener Hand über Nachfolger längst fleißig spekuliert;nur eben niemals in der Öffentlichkeit. «Wenn er keine Messe mehrhalten kann, tritt er zurück», meint ein Papst-Kenner. Doch vielehalten das für eher unwahrscheinlich. Es heißt, dieser Papst wolle imAmt sterben.
Vollends pikiert verfolgten die Vatikan-Offiziellen unlängst einenanderen Tabubruch eines US-Journalisten. «Es gibt keinen Mechanismus,um einen Papst zu ersetzen, wenn er chronisch verwirrt, senil oder imKoma ist», beschrieb die Zeitung «International Herald Tribune» dasProblem, über das Kardinäle, Bischöfe und Prälaten geflissentlichschweigen. Niemand in Rom wagt, solche Fragen auch nur zu stellen.