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Sondierungsgespräche Sondierungsgespräche: Wachsende Skepsis gegenüber Jamaika bei den Grünen

Von Markus Decker 18.11.2017, 14:28
Robert Habeck (l-r), Winfried Kretschmann, Jürgen Trittin, Bettina Jarasch, Britta Haßelmann, Michael Kellner, Annalena Baerbock und Anton Hofreiter (alle Bündnis 90 / Die Grünen), gehen in Berlin zur Fortsetzung der Sondierungsgespräche in der CDU-Zentrale. 
Robert Habeck (l-r), Winfried Kretschmann, Jürgen Trittin, Bettina Jarasch, Britta Haßelmann, Michael Kellner, Annalena Baerbock und Anton Hofreiter (alle Bündnis 90 / Die Grünen), gehen in Berlin zur Fortsetzung der Sondierungsgespräche in der CDU-Zentrale.  dpa

Berlin - Bei den Grünen mehren sich die Stimmen, die den Sondierungsvereinbarungen und damit der Bildung einer etwaigen Jamaika-Koalition nicht zustimmen wollen, wenn es nicht noch Verbesserungen vor allem in der Flüchtlingspolitik gibt.

Die Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock, die Mitglied der grünen Verhandlungsdelegation ist und sich in Potsdam selbst in der Flüchtlingshilfe engagiert, sagte der tageszeitung: „Eine Schmerzgrenze ist der Familiennachzug. Meinen syrischen Leuten erklären, tut mir leid, aber ich werde dafür stimmen, dass eure Kinder und Ehefrauen niemals sicher nach Deutschland kommen dürfen? Das werde ich nicht tun.“ Ihr nordrhein-westfälischer Fraktionskollege und dortige Landesvorsitzende Sven Lehmann kommentierte dies bei Twitter mit den Worten: „Ich auch nicht.“

Die ehemalige Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke sagte auf einem kleinen Parteitag der Grünen von Sachsen-Anhalt in Quedlinburg, es sei fraglich, dass „dieser Katalog in den nächsten 48 Stunden zu einem Papier wird, zu dem ich guten Gewissens ja sagen kann“.

Die Kreuzberger Abgeordnete Canan Bayram erneuerte ihre Ablehnung. „Ich habe von Anfang gesagt, dass ich es für unwahrscheinlich halte, dass ich Jamaika zustimmen kann“, erklärte sie dieser Zeitung. „Daran hat sich nichts geändert.“

Sorge um grünen Markenkern

Die Fraktionssitzung am vorigen Freitag habe im Übrigen gezeigt, dass auch jene inzwischen ernüchtert seien, die anfangs Hoffnung gehabt hätten. Jamaika werde jedenfalls, wenn es zustande komme, „ein westdominiertes Bündnis von Leuten, denen es nicht so schlecht geht“.

Bayram monierte mangelnde Resultate bei der Armutsbekämpfung, bei der Bekämpfung der Probleme auf dem Wohnungsmarkt sowie beim Klimaschutz. Und unabhängig von dem weiter strittigen Familiennachzug hätten die grünen Verhandler „schon in dem geeinten Teil zur Flüchtlingspolitik Zugeständnisse gemacht, von denen ich mir nicht vorstellen kann, dass die Partei dem zustimmt“. Dies gelte etwa für die Schaffung von Rückführungszentren, aus denen Asylbewerber und Flüchtlinge direkt abgeschoben werden könnten. „Ich mache mir Sorgen um den grünen Markenkern“, betonte Bayram. „Er ist bedroht.“

Kritik äußerten schließlich die Grüne Jugend und die Parlamentarische Geschäftsführerin im Thüringer Landtag, Astrid Rothe-Beinlich. Sie schrieb bei Twitter, wenn das Sondierungspapier im Bereich Flucht und Migration „Grundlage für Jamaika sein soll, dann gibt es wohl keine Grundlage dafür. Jedenfalls nicht mit mir.“ In Thüringen regieren die Grünen mit der Linkspartei und der SPD.

Am kommenden Sonnabend tagt in Berlin die grüne Bundesdelegiertenkonferenz, um über die Sondierungsvereinbarungen zu diskutieren und abzustimmen. Für das Treffen sind sechs Stunden anberaumt. Ein Ja ist Voraussetzung für Koalitionsverhandlungen. Einem Koalitionsvertrag müsste später noch die grüne Basis in einer Urwahl ihre Zustimmung erteilen. Aus grünen Führungskreisen verlautet, mit reinen Formelkompromissen und ohne essenzielle Fortschritte komme man „nicht über den Parteitag“. Und das mit Recht.