Solarbranche Solarbranche: EU-Strafzölle sind Thema für Merkel und Li

Berlin/MZ - Der Streit über Strafzölle für chinesische Solartechnik spitzt sich zu. Während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag bei Gesprächen mit Chinas Premierminister Li Keqiang versuchte, einen Kompromiss zu finden, warnt der renommierte Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap vor Protektionismus. „Mit Maßnahmen wie Strafzöllen wird das Problem nicht gelöst, sondern eher verstärkt“, sagte er der Frankfurter Rundschau.
Strafsteuern von 37 bis 68 Prozent
Die EU-Kommission betreibt seit September ein Anti-Dumping-Verfahren gegen chinesische Hersteller von Schlüsselkomponenten von Solaranlagen. Der Vorwurf lautet, dass die Produkte in der EU unter Herstellungspreis verkauft werden. Eine offizielle Entscheidung der Wettbewerbshüter steht noch aus. Dem Vernehmen nach sollen aber von Juni an vorläufige Strafsteuern von 37 bis 68 Prozent auf die Solarmodule und deren Vorprodukte verhängt werden. Insider rechnen damit, dass dies auf die Endkundenpreise durchschlägt. Das dürfte die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen massiv drücken. Mehr als 80 Prozent der in Deutschland verkauften Solarsysteme verwenden Komponenten aus China.
Premier Li drohte und warnte am Wochenende: Strafzölle und Anti-Dumping-Verfahren würden anderen schaden, ohne dass sie einem nutzten. Und weiter: Er hoffe, dass die EU die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit der Volksrepublik als Ganzes bedenke. Dahinter verbirgt sich die Drohung mit einem Handelskrieg. China ist inzwischen zweitgrößter Exportmarkt für die EU.
Wie der Kompromiss, den Merkel anstrebt, aussehen könnte, war bei Redaktionsschluss nicht klar. Nach Informationen aus Branchenkreisen wird aber auch von großen chinesischen Solarfirmen nach einer schnellen Einigung gesucht. Diese könnte darin bestehen, dass entweder Minimalpreise oder die Mengenobergrenzen für Importe festgelegt werden.
Haucap lehnt auch derartige Deals kategorisch ab: „Mindestpreise oder Importquoten bringen nichts“, so der Ökonomie-Professor. Die Probleme der deutschen Solarindustrie seien hausgemacht. Die Unternehmen hätten viel zu wenig in Forschung und Entwicklung investiert. „Deshalb sind sie von chinesischen und anderen asiatischen Konkurrenten technologisch überholt worden.“
Verdacht auf billige Kredite
Strafzölle sind für ihn ein falsches Signal: „Wenn ein nicht-wettbewerbsfähiges Unternehmen weiß, dass die Regierung es im Zweifelsfall vor der Konkurrenz schützt, dann legen die Manager die Hände in den Schoß, da sie nichts zu befürchten haben.“
Das Anti-Dumping-Verfahren wurde von dem Verband „EU Pro Sun“ angestoßen. Treibende Kraft dahinter ist die deutsche Firma Solarworld. Hauptvorwurf: Die Billigimporte seien nur möglich, weil die dortigen Solarfirmen massiv von der Regierung gestützt würden. Als sicher gilt, dass die Firmen von staatlich kontrollierten Banken mit billigem Geld versorgt werden.
Allerdings sind Strafen gegen chinesische Konkurrenten auch in der Branche umstritten. So befürchtet die „Allianz für bezahlbare Solarenergie“, in der nach eigenen Angaben rund 550 Firmen organisiert sind, dass Strafzölle bis zu 200 000 Arbeitsplätze in Europa bedrohen. Eine gebremste Nachfrage dürfte auch Handwerker treffen, die sich auf die Montage von Hausdachanlagen spezialisiert haben.
Für Haucap ist klar: „Mit den Zöllen kann keinesfalls erreicht werden, was deren Befürworter sich erhoffen, dass nämlich die deutschen Solarhersteller wieder konkurrenzfähig werden.“ Voraussetzung dafür wäre, dass diese Firmen im internationalen Wettbewerb bestehen könnten. Der Wissenschaftler schlägt vor, dass die Politik Forschung und Entwicklung fördert.