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Slobodan Milosevic Slobodan Milosevic: Anklage wegen Verbrechen im Kroatien-Krieg

29.10.2001, 15:07
Milosevic vor dem Kriegsverbrechertribunal
Milosevic vor dem Kriegsverbrechertribunal REUTERS/Pool

Den Haag/dpa. - Der frühere jugoslawische Präsident SlobodanMilosevic ist am Montag vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal angeklagtworden, zusammen mit anderen im Kroatienkrieg 1991/92 ein«kriminelles Unternehmen» betrieben zu haben. Hunderte von nicht-serbischen Zivilisten seien dabei umgebracht worden, Tausende unterunmenschlichen Bedingungen gefangen gehalten und mindestens 170 000weitere vertrieben worden, hieß es in der vollständig verlesenenAnklageschrift.

Milosevic wies alle Beschuldigungen zurück. «Hier wird das Opferzum Täter erklärt», rief er erregt. Es sei absurd, Serbien oder dasserbische Volk für die Loslösung Kroatiens mit Waffengewalt von derjugoslawischen Föderation verantwortlich zu machen. Dadurch sei derBürgerkrieg mit all seinem Leid für die Zivilbevölkerung entstanden.«Diese Anklage ist der zweite Akt des Verbrechens, das gegen meinVolk begangen worden ist», sagte Milosevic mit lauter Stimme.

Milosevic lehnte es ab, sich zu der insgesamt 32 Punkteumfassenden Kroatien-Anklage zu äußern. Das Gericht wertete dieWeigerung als «Nicht-Schuldig»-Erklärung. Als der Angeklagte auchnoch gegen den früheren kroatischen Präsidenten Franjo Tudjmanwetterte, schaltete ihm der Richter das Mikrofon ab.

Bei dem dritten Gerichtstermin seit der Auslieferung von Milosevicaus Belgrad Ende Juni war der 60-Jährige zunächst mit einem Zusatzzur bisherigen Anklage wegen Kriegsverbrechen im Kosovo konfrontiertworden. Auch dabei war es zu einem Wortgefecht mit dem VorsitzendenRichter gekommen, als Milosevic auf «schuldig» oder «nicht schuldig»plädieren sollte. Milosevic hatte zu einer wortreichen Kritik derVorwürfe angesetzt und hörte trotz einer Aufforderung von RichterRichard May nicht auf zu reden. Schließlich rief der britischeRichter: «Seien sie bitte jetzt ruhig», und drehte ihm das Mikrofonab. Während Milosevic weiter schimpfte, sagte May nur: «Wir wertendies als "Nicht-schuldig"-Erklärung.»

In einer kurzen Erklärung am Vormittag hatte Milosevic seinefrüheren Vorwürfe an die Adresse des Gerichtshofs wiederholt. DasTribunal sei illegal und produziere «eine Flut gefälschter Vorwürfe».Er wisse, was man ihm vorwerfe, räumte der Angeklagte ein. Er habeaber lediglich sein Land gegen kriminelle Aggression und Terrorismusverteidigt. Dafür machte er den früheren US-Präsidenten Bill Clintonund andere verantwortlich, die mit ihm zusammengearbeitet hätten. Derfrühere starke Mann des Balkan wiederholte außerdem, dass seineAuslieferung nach Den Haag einen Verstoß gegen die Verfassung derRepublik Serbien und der Bundesrepublik Jugoslawien darstelle.

Milosevic distanzierte sich auch von drei unabhängigen Juristen,die das Gericht zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens berufenhat. Diese so genannten «Freunde des Gerichts» - Anwälte aus denNiederlanden, Großbritannien und Jugoslawien - sollen über dieEinhaltung fundamentaler Rechtsprinzipien wachen. Die drei Juristensprächen nicht für ihn, betonte Milosevic.

Der Ex-Präsident hat bisher noch keinen Anwalt zu seinerVerteidigung ernannt. Der Prozess gegen ihn ist für Anfang nächstenJahres geplant. In der nächsten Woche will Chefanklägerin Carla DelPonte auch eine Anklage gegen Milosevic wegen Verbrechen imBosnienkrieg vorlegen. Dabei werde sie ihm auch Völkermord vorwerfen,die schwerste Anklage vor dem Tribunal, kündigte sie an.