Sexuelle Belästigung Sexuelle Belästigung: Häufig bagatellisiert
Halle (Saale)/MZ. - Frau Walofsky, beim Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sind viele Menschen immer noch verunsichert. Ab wann spricht man denn von sexueller Belästigung?
Walofsky: Allgemein wird unterschieden zwischen Grenzverletzungen, Übergriffen und strafrechtlich relevanten Gewalthandlungen. Eine Grenzverletzung kann zum Beispiel vorliegen, wenn eine Person von einem Kollegen im Gespräch an der Schulter oder am Arm berührt wird und die betroffene Person das nicht mag.
Aber das passiert doch mal, oder?
Walofsky: Solche Grenzverletzungen passieren häufig und häufig passieren sie unabsichtlich. Sie sind auch in der Regel nicht schlimm, denn sie können korrigiert werden. Die betroffene Person weicht der Berührung aus, ihr Kollege oder Vorgesetzter merkt das und unterlässt dann die Berührung.
Und wenn solche Grenzverletzungen nicht aufhören?
Walofsky: Wenn die Grenzverletzungen wiederholt, von den Tätern bewusst und massiv verübt werden, spricht man von Übergriffen. Neben Berührungen können dazu wiederholte Abwertungen der anderen Person gehören. Verbal durch sexualisierte Beschimpfungen oder durch abschätzige Blicke. Oder die Täter stellen eine sexualisierte Atmosphäre am Arbeitsplatz her, durch ihre Ausdrucksweise oder auch durch ein Klima, in dem körperliche Nähe als normal gewertet wird.
Welche Gründe hat sexuelle Belästigung?
Walofsky: In aller Regel wird sie in der Unternehmenshierarchie von oben nach unten ausgeübt. Vorgesetzte missbrauchen ihre Machtstellung. Die Opfer fürchten häufig Karrierenachteile, wenn sie sich wehren oder werden sogar damit erpresst. Die Täter testen zuweilen mit der Belästigung aus, wie weit sie gehen können. Sexuelle Belästigung kann deshalb auch zu strafrechtlich relevanten Handlungen sexueller Gewalt führen.
Wie sollten Betroffene reagieren?
Walofsky: Sie sollten möglichst früh handeln. Denn häufig reicht ein Nein nicht aus. Dann ist es notwendig, sich beraten zu lassen. Ideal wäre es, wenn Unternehmen einen internen oder auch externen Ansprechpartner für diese Fälle benennen würden. Aber das ist noch selten. Und leider wird sexuelle Belästigung in Firmen noch häufig bagatellisiert.
Schweigen deshalb viele Betroffene lieber?
Walofsky: Das passiert. Manche wissen nicht, dass sie sich in Beratungsstellen wie Wildwasser vertraulich beraten lassen können, ohne dass irgendjemand aus ihrem Unternehmen etwas davon erfährt.