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Serbien Serbien: «Zigeuner, hier könnt ihr nicht leben!»

Von Dubravko Kolendic 29.08.2007, 06:56
Roma sammeln Abfall auf einer Müllhalde in Kosovo Polje. (Foto: dpa)
Roma sammeln Abfall auf einer Müllhalde in Kosovo Polje. (Foto: dpa) EPA

Belgrad/dpa. - Die Serben wollen Roma nicht alsNachbarn haben, heißt es in Berichten diverserMenschenrechtsorganisationen. «Zigeuner stehlen, sind schmutzig undlaut«, sagt eine Belgraderin dem örtlichen TV-Sender. Und, wenn dieRoma doch in eine Wohnung einziehen, verlieren die umliegendenWohnungen ihren Wert, fügte sie hinzu.

Allein in der serbischen Hauptstadt gibt es etwa 130 illegalerrichtete Slums der Roma. Dort hausen sie hinter Kartons,Plastikplanen und Brettern, ohne Wasser, Kanalisation und oft ohneStrom. In ganz Serbien sind es über 600 solcher «Siedlungen». Undselbst dort können die Roma nicht in Ruhe leben.

Fast jede Nacht geschehen Übergriffe rechtsradikaler Jugendlicher.«Skinheads» werfen Molotow-Cocktails und verprügeln Kinder undFrauen, wie Srdjan Sain klagt. Er ist Vorsitzender der Roma-Parteiund Abgeordneter im serbischen Parlament. Die Polizei intervenierenicht immer. Und wenn die Beamten auch kommen, würden dieAngegriffenen mehr belästigt als die Angreifer, so die Roma.

In Belgrader leben nach Schätzungen über 100 000 Roma, verächtlich«Zigeuner» genannt. Ihre notdürftigen Behausungen haben sie sogar imStadtzentrum - vor den Toren von Luxushotels und modernenGeschäftsgebäuden. «Die reichen Ausländer schauen auf uns wie auf einWunder und machen Fotos», sagt ein Alteisensammler, der mit fast 500Mitgliedern seiner Volksgruppe unter einer Autobahnbrücke wohnt. Dortmüssen sie demnächst wegen einer Brückenreparatur fort. Wohin dieMenschen sollen, ist ungewiss.

In einem Bericht das UN-Entwicklungsprogramms UNDP istfestgehalten: 80 Prozent der Roma in Serbien sind ohne Arbeit, fastdie Hälfte lebt vom Sammeln von Altpapier und Müll, viele haben garkeine Dokumente, nur vier Prozent der Kinder erreichen eineMittelschule. Sogar 84 Prozent der Roma, deren Zahl auf 400 bis450 000 geschätzt wird, haben keine regelmäßigen Einkünfte und sindvon Hunger und Krankheiten bedroht.

Und dass es noch schlechter sein kann, zeigt die Lage der etwa50 000 aus dem Kosovo nach Serbien geflüchteter Roma. Sie seien die«größten Opfer» des albanisch-serbischen Konflikts, heißt es imBericht der Belgrader Stiftung für Menschenrechte (FHP). Nach demEinzug der NATO-Truppen in die südserbischen Provinz 1999 flüchtetenzwei Drittel der etwa 150 000 dortiger Roma. Sie hatten Angst vor der«albanischen Vergeltung», so der HFP-Bericht.

Weil sie kein Serbisch, sondern nur Albanisch sprechen, wirddieser als Aschkali genannte Roma-Zweig, noch mehr missachtet. Sieleben in Flüchtlingslagern unter «unmenschlichen» Bedingungen. »Wirwerden in Serbien wie Albaner behandelt und verachtet», sagt AbedinToplica, Vorsitzender des Aschkali-Heimatverbandes. Sie würden gerneins Kosovo zurückkehren, aber auch dort sind sie unerwünscht.