Schweden Schweden: Kritik an Sicherheitsmängeln in Forsmark
Stockholm/München/dpa. - Die schwedischen Behörden haben amDonnerstag ihre Kritik an Sicherheitsmängeln bei dem Störfall imAtomreaktor Forsmark erheblich verstärkt und neue Anforderungen an die Betreiber gestellt. Wie die staatliche Strahlenschutzbehörde SKIam Donnerstag in Stockholm mitteilte, dürfen alle vier nach demStörfall am 26. Juli stillgelegten Reaktoren erst nach ausdrücklichenneuen Betriebsgenehmigungen durch SKI wieder ans Netz gehen. Bishergalt diese Bestimmung nur für den vom Störfall direkt betroffenenReaktor 1 in Forsmark.
Der Störfall war gravierender als bislang vermutet. Zu diesemSchluss kommt auch ein Bericht der Deutschen Gesellschaft fürReaktorsicherheit (GRS), welcher der Süddeutschen Zeitung(Freitagausgabe) vorliegt. Demnach lag in dem Reaktor nicht alleineine Panne bei der Notstromversorgung vor. Vielmehr hat offenbar eineganze Reihe von Fehlern dazu geführt, dass die Notstromaggregate inBetrieb gehen mussten.
Am 26. Juli war Block 1 des Kernkraftwerks überraschendabgeschaltet worden. Zuvor hatte es im Stromnetz, das den Strom vomReaktor wegtransportiert, einen Kurzschluss gegeben. Üblicherweisewerden Reaktoren in solchen Fällen heruntergefahren. Sie produzierendann nur noch so viel, wie sie für die eigene Versorgung brauchen.
In Forsmark war dies nicht reibungslos gelungen. So sei derReaktor, «später als vorgesehen», vom Netz getrennt worden, heißt esin dem Bericht, den die GRS zusammen mit dem Öko-Institut für dasBundesumweltministerium erstellt hat. Anschließend seien beideTurbinen ausgefallen - die eine möglicherweise wegen mangelnderÖlversorgung, die andere aus «bislang nicht bekannter Ursache». Umden Reaktor dennoch mit Strom zu versorgen, sollte zunächst einReservestromnetz angezapft werden. Erst als das misslang, solltenDieselgeneratoren die Notstromversorgung übernehmen. Hier aber fielendie Wechselrichter bei zwei von vier Generatoren aus - und legten dieÜberwachungswarte lahm.
SKI hatte den Fall als «ernst» auf Stufe Zwei der siebenstufigenStörfallskala für Kernkraftwerke eingestuft und auch den Stopp vondrei weiteren Siedwasserreaktoren gleicher Bauart verfügt. Dazugehört neben Forsmark 2 auch das vom deutschen E.ON-Konzernbetriebene Kraftwerk Oskarshamn mit zwei Reaktoren.
Der Chef des Reaktorsicherheitsausschusses bei derStrahlenschutzbehörde, Björn Karlsson, sagte im Rundfunksender SR,das Bild über die Reaktorsicherheit habe sich durch die inzwischenvollzogene Klärung des Ablaufs «deutlich verschlechtert». Er sagte,das Versagen von zwei der vier Notgeneratoren nach dem Herunterfahreneines Reaktors sei «der schlimmste Vorfall in der Geschichte derAtomkraft in Schweden» gewesen.
In einem Brief an den zum schwedischen Vattenfall-Konzerngehörenden Betreiber der Forsmark-Anlage hieß es, dass nachbisherigem Kenntnisstand unter anderem durch den Kurzschluss vor demReaktorstopp Signale auf den Kontrollschirmen ausgefallen seien.Besonders schwerwiegend sei es, dass zwei voneinander unabhängigarbeitende Notaggregate durch denselben Kurzschluss außer Betriebgesetzt worden seien. Auch habe das Alarmierungssystem nichtfunktioniert. Die Kühlung für den gestoppten Reaktor wurde von zweianderen der insgesamt vier Notaggregate übernommen, die wievorgesehen automatisch ansprangen.
Zu ähnlichen Erkenntnissen kommt ein Bericht, den Forsmark-Betreiber Vattenfall Anfang der Woche der Strahlenschutzbehörde SKIvorgelegt hatte. Demzufolge ist das Versagen der Dieselgeneratorennicht - wie zuerst angenommen - auf die Wechselrichterzurückzuführen, sondern auf eine Kette von Pannen. Das Bauteil derFirma AEG hat nach dem Bericht korrekt funktioniert, es war aberfalsch eingestellt. Deshalb wurde es von einem Stromstoß lahm gelegt,der auf den Kurzschluss im Stromnetz zurückging.
Von Schwedens zehn Atomreaktoren, aus denen knapp die Hälfte desStrombedarfs gedeckt wird, laufen derzeit nur sechs. Die zuVattenfall gehörende Forsmark Kraftgrupp muss bis 6. September einenAbschlussbericht über den Störfall vorlegen. Bis dahin werde es keineBetriebsgenehmigung für die vier stillgelegten Reaktoren geben.