Schweden Schweden: Außenministerin Anna Lindh stirbt nach Messer-Attentat

Stockholm/dpa. - Persson forderte eine rasche Aufklärung des Attentats. Die Polizeifahndete am Donnerstag in einem Kreis namentlich bekannter Männernach dem Attentäter. Wie Ermittlungschef Leif Jennekvist mitteilte,deute nichts auf eine längere Planung oder auf Mittäter hin. Übermögliche Motive mit politischem Hintergrund machte er keine Angaben.
«Schweden hat sein Gesicht nach draußen in die Welt verloren»,sagte Persson zu Lindhs Tod. Schwedens König Carl XVI. Gustaf nannteLindh eine «höchst kompetente Politikerin». Der Mord rief in SchwedenErinnerungen an das Attentat auf den früheren Regierungschef OlofPalme wach, der 1986 nach einem Kinobesuch erschossen worden war.
Spitzenpolitiker aus aller Welt würdigten die herzliche und offeneArt der Sozialdemokratin und ihr Engagement für die europäischeIntergation. Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach von einem«schweren Verlust» für Europa und die europäische Sozialdemokratie.Außenminister Joschka Fischer nannte sie eine «große Europäerin,große Außenministerin und auch eine sehr gute Freundin». US-Außenminister Colin Powell sprach von einem «schrecklichen Schlag».
Bis in die frühen Morgenstunden hatten die Ärzte um das Leben derblonden Schwedin gekämpft. Sie war durch Messerstiche in Brust, Bauchund Arm verletzt worden. Vor allem an der Leber erlitt sie schwereSchäden mit starken inneren Blutungen. Nach einer achtstündigenOperation verlautete zunächst, ihr Zustand habe sich leichtverbessert und sei nicht lebensgefährlich. Danach ging es ihr rapideschlechter. 13 Stunden nach der Einlieferung starb die Politikerin anLungenversagen mit anschließendem Kreislaufkollaps.
Ermittlungschef Jennekvist sagte, der Täter sei nach Angaben dervielen Augenzeugen wahrscheinlich Schwede und habe «heruntergekommen»gewirkt. Der Mann soll etwa 1,80 Meter groß und etwa 30 Jahre altsein. «Noch spricht der Zeitfaktor nicht gegen uns», meinteJennekvist weiter. Er wies Kritik an der Reaktion der Behördenunmittelbar nach der Auslösung der landesweiten Großfahndung zurück.
In ersten Kommentaren wurde massive Kritik an der GeheimpolizeiSäpo laut, weil Lindh bei ihrem Einkaufsbummel am Mittwochnachmittagohne Leibwächter unterwegs gewesen war. Der Vorsitzende desJustizausschusses im Reichstag, Johan Pehrson, sagte: «Ich muss michsehr wundern, dass die Außenministerin keinen Personenschutz hatteund erwarte eine gute Antwort von Säpo.» Säpo-Chef Kurt Malmströmräumte ein, das Attentat sei ein «Fehlschlag» für seinen Dienst. Eshabe aber vorher keinerlei Bedrohungen für Lindh gegeben.
Auch die Medien bemängelten, die Außenministerin hätte angesichtsihrer herausragenden Rolle bei der Ja-Kampagne zum Referendum amSonntag Personenschutz rund um die Uhr haben müssen. Dieser ist inSchweden derzeit nur für Persson und die Königsfamilie vorgesehen.
Persson kündigte nach einer Kabinettssitzung und Beratungen mitallen Reichstagsparteien an, die Volksabstimmung über den Euro werdewie geplant am Sonntag stattfinden. «Es ist sehr wichtig, dass derdemokratische Prozess nicht durch eine Gewalttat unterbrochen wird»,fügte Persson hinzu. Er forderte alle sieben MillionenWahlberechtigten zur Stimmabgabe auf. Euro-Gegner wie -Befürworterstellten ihre Kampagnen sofort nach Bekanntwerden des Anschlags ein.
Unter Beobachtern in Stockholm gilt es als sicher, dass die inUmfragen bisher weit hinten liegenden Ja-Seite nun mit einem besserenErgebnis rechnen kann. Wenige Stunden vor Bekanntwerden des Anschlagshatten neue Umfragen einen Vorsprung von mehr als zehn Prozent fürdie Euro-Gegner ergeben. Entwicklungshilfeminister Jan O. Karlssonwurde mit der vorläufigen Leitung des Außenministeriums beauftragt.

