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EU-Kommissar "Schlitzaugen"-Äußerung: Günther Oettinger entschuldigt sich

Von Steven Geyer 03.11.2016, 10:26
EU-Kommissar Günther Oettinger
EU-Kommissar Günther Oettinger dpa

Brüssel - An einigen Passagen hat man die schriftliche Entschuldigung des deutschen EU-Kommissars für Digitales, Günther Oettinger (CDU), fast schon im Originalton im Ohr – wie er sie in seinem berühmten schwäbisch gefärbten Stolper-Englisch mit den improvisierten Betonungen wohl verlesen hätte. An der markanten Passage etwa, als er betont, seine heftig kritisierte Rede über das zweifelhafte Handelsgebaren der Chinesen habe er so nicht etwa von einem Manuskript verlesen. „I was frank and open“, heißt es in der am Donnerstag veröffentlichten Erklärung, „it was not a speech read-out, but ,frei von der Leber’ as we say in German“.

Die formelle Entschuldigung kam eine knappe Woche nach einem ersten Versuch Oettingers, die freie, nur halb-öffentliche Rede in Hamburg herunterzuspielen. Darin hatte er unter anderem Chinesen als „Schlitzohren und Schlitzaugen“ bezeichnet, von einer „Pflicht-Homoehe“ in Deutschland gesprochen und angedeutet, Frauen könnten ohne Quotenregelung keine Spitzenpositionen erreichen. Im Saal hatten daraufhin einige empörte Zuhörer per Handy mitgefilmt und Zitate veröffentlicht, was zu heftiger Kritik an Oettinger führte. Er selbst spielte die Rede in der „Welt“ am Wochenende noch herunter: Seine Worte  eine „saloppe Äußerung“ gewesen, mit denen er nur auf die wachsende Konkurrenz durch Länder wie China oder Südkorea hinweisen wollte.

Kein Grund zur Entschuldigung in Sachen Homo-Ehe

Die Homo-Ehe habe er nur erwähnt, weil sie ein Thema in der öffentlichen Debatte sei. Grund zur Entschuldigung sah er da noch nicht. Das ließ ihm auch Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel durchgehen: Mit seiner Erfahrung sei Oettinger ein „ausgezeichnet qualifizierter“ Kommissar, betonte ihr Sprecher, auf die Kritik angesprochen. Zudem habe der ehemalige CDU-Ministerpräsident Baden-Württembergs seine Bemerkungen inzwischen eingeordnet.

Die Debatte riss jedoch nicht ab und wurde in internationalen Medien geführt, nicht zuletzt in Asien. Am Mittwoch erklärte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums schließlich, Oettingers Bemerkungen verdeutlichten, dass manche westliche Politiker „ein irritierendes Gefühl der Überlegenheit“ hätten.

So kam nun also doch die Entschuldigung: Er habe Zeit gehabt, um über seine Rede nachzudenken, schreibt Oettinger. Er sehe ein, dass seine Worte andere verletzt haben könnten, was nicht seine Absicht gewesen sei. „Ich habe großen Respekt vor der Dynamik der chinesischen Wirtschaft“, so Oettinger.

Aufregungn zu einem schlechten Zeitpunkt

Die Aufregung kommt für ihn zu einem schlechten Zeitpunkt: Der CDU-Politiker soll in der von Jean-Claude Juncker geführten EU-Kommission künftig vom eher randständigen  Digitalkommissar für Digitalwirtschaft zum Ressortchef für Haushalt und Personal aufsteigen. Zudem arbeitet er hinter den Kulissen an seiner Beförderung zu einem der Vizepräsidenten der mächtigen Brüsseler Behörde.

Die diplomatische Aufregung um die umstrittene Ansprache erinnert nun daran, dass Oettingers Ansichten und Äußerungen nicht zum ersten Mal umstritten sind. So war er  Mitglied eines rechtskonservativen Zirkels und deutete in einer Trauerrede die Vergangenheit seines Amtsvorgängers als Ministerpräsident, Hans Filbinger, um, der in der Nazi-Zeit regimetreuer Richter war.

Nach der „Schlitzaugen“-Rede und vor allem dem anschließenden Kleinreden des Aussetzers rufen nun nicht nur Grünen-Politiker in Brüssel und Berlin nach dem Rücktritt des EU-Kommissars.