1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Scharia: Scharia: Taliban gewinnen in Afghanistan wieder an Macht

Scharia Scharia: Taliban gewinnen in Afghanistan wieder an Macht

03.01.2017, 10:12
Selbstmordattentäter der Taliban.
Selbstmordattentäter der Taliban. AP

Kabul - Die radikalislamischen Taliban haben in der ostafghanischen Provinz Gasni nach eigenen Angaben sechs Männer mit je 25 bis 39 Peitschenhieben für Verbrechen bestraft. Fünf der Männer seien Diebe gewesen, einer sei beim Sex außerhalb der Ehe erwischt worden, heißt es in einer in der Nacht zum Dienstag veröffentlichten Stellungnahme. Lokale Behörden bestätigten den Bericht am Dienstag.

Die Nachrichtenagentur Pajhwok veröffentlichte außerdem eine Sammlung ähnlicher Vorfälle mit sieben weiteren Opfern in Gasni. Taliban haben demnach dort in den vergangenen zwei Wochen unter anderem ein „unerlaubtes“ Liebespaar verprügelt und ein anderes ausgepeitscht.

Taliban sollten Scharia auch auf sich selbst anwenden

„Die Taliban machen solche Sachen, weil sie den Leuten beweisen wolle, dass sie da sind und Kontrolle über ein Gebiet haben“, sagte ein Provinzratsmitglied, Nasir Ahmad Fakiri, der Deutschen Presse-Agentur. Der Polizeichef der Provinz, Aminullah Amarkhel, sagte, wenn die Taliban wirklich das (islamische) Scharia-Gesetz durchsetzen wollten, müssten sie es zuerst auf sich anwenden. Es habe schon sechs Fälle gegeben, in denen Talibankämpfer Frauen vergewaltigt hätten. Keiner sei bestraft worden.

Andere Fälle von Taliban-Selbstjustiz werden seit Monaten auch aus anderen Landesteilen berichtet. Menschenrechtsaktivisten warnen vor einer Rückkehr der archaischen Strafen der Islamisten, die Afghanistan ausschließlich unter dem Scharia-Gesetz sehen wollen. Dazu zählen Steinigungen, öffentliche Prügel, Exekution durch den Strang oder die Kugel. Mit solchen Mitteln hatten sie das Land vor Beginn der internationalen Intervention vor 15 Jahren regiert.

In einem Bericht zu den zivilen Opfern des Krieges hatten die UN schon 2015 vor allem hinsichtlich der Bestrafung von Frauen für angebliche „unmoralische Verbrechen“ von einem „neuen verstörenden Trend“ gesprochen. Allein in der ersten Hälfte von 2016 dokumentierten die UN mindestens 26 Fälle.

„Wir sehen einen Anstieg, und das ist eine große Sorge für uns“, sagte der Leiter der Investigationsstelle bei der afghanischen Menschenrechtskommission, Hussain Moin, am Dienstag. „Wir haben im laufenden afghanischen Jahr (März bis März) ernste Fälle zum Beispiel in Ghor, Badghis, Kundus, Wardak und Gasni registriert.“ Die Kommission habe die Regierung oft gebeten, zu ermitteln und die Täter festzunehmen. „Aber weil diese Dinge oft in unsicheren Gegenden passieren, kann die Regierung dort nicht tätig werden.“

Exekutionen auf Marktplatz

Erst am Sonntag hatten die Taliban auf einem Markt in der Westprovinz Farah zwei Männer gehängt, die als Entführer gesucht worden waren. Es sei in Farah schon die dritte Exekution durch die Taliban im laufenden Jahr gewesen, sagte Gouverneur Mohammad Asif Nang. Außerdem sollen die Taliban jüngst in den Provinzen Badghis und Dschausdschan zwei Frauen exekutiert haben. Die Taliban wiesen das jedoch zurück.

Der Anstieg der Fälle geht einher mit mehr Einfluss oder sogar Kontrolle der Taliban in - oft ländlichen und abgelegenen - Bezirken des Landes. Nach einem Bericht des Spezialinspekteurs des US-Senats für den Wiederaufbau in Afghanistan (Sigar) aus dem Oktober sind nur noch rund 63 Prozent des Landes in den Händen der Regierung. Demnach sind 33 der 407 Bezirke Afghanistans unter der Kontrolle oder dem Einfluss der Taliban. 116 weitere Bezirke seien umkämpft. (dpa)