Sarkophag verteuert und verspätet Sarkophag verteuert und verspätet: Deutschland will fehlende Millionen für Tschernobyl-Mantel auftreiben

Trotz der Krim-Krise haben sich die führenden westlichen Industriestaaten (G7) und Russland dazu bekannt, die Ummantelung und Abdichtung der strahlenden Reaktor-Ruine des Atomkraftwerks im ukrainischen Tschernobyl weiterhin gemeinsam zu finanzieren. Die dennoch fehlenden 615 Millionen Euro für das Projekt, dessen Bau sich erneut verteuert und verzögert, will die deutsche Regierung während ihrer G7-Präsidentschaft eintreiben. Das geht aus einem Bericht des Umweltministeriums hervor, der an diesem Mittwoch im Fachausschuss des Bundestags debattiert wurde und dieser Zeitung vorliegt.
Neues Ziel ist demnach, die Schutzhülle um den Katastrophenreaktor bis November 2017 zu vollenden. Anders als geplant wird sie damit nicht zum 30. Jahrestag der Katastrophe fertig, sondern frühestens anderthalb Jahre später. An diesem Sonntagjährt sich die Atomkatastrophe zum 29. Mal.
Kosten verdreifacht
Die Kosten für die Schutzhülle, die ein weltweit einmaliges Stahl-Bauwerk mit einer aufwändigen Bogenkonstruktion werden soll, werden laut dem Bericht erneut von 1,6 auf 2,15 Milliarden Euro steigen. Damit hat sich die Summe seit der ersten Schätzung von 715 Euro aus dem Jahr 1997 verdreifacht. Als Ursachen nennt der Bericht, dass das Grunddesign zunächst unklar gewesen sei und das einmalige Projekt technisch komplexer sei als gedacht: immer neue Details mussten erdacht und umgesetzt werden.
„Die bisherigen Zusagen und Absichtserklärungen werden für den sicherheitstechnisch erforderlichen Abschluss aller Maßnahmen nicht ausreichen“, warnt das Umweltministerium nun in dem Bericht. Bisher haben die G7 und Russland für einen eigens gegründeten Fonds erst 1,5 Milliarden Euro zugesagt – wenn auch noch nicht gezahlt. Zuletzt hatte Deutschland seine Beteiligung im Jahr 2011 aufgestockt und 42,4 Millionen Euro zugesagt.
Provisorium steht doppelt so lange wie geplant
Insgesamt könnte der Großteil der fehlenden Finanzmittel über die Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung bereitgestellt werden, heißt es in dem Ministeriumsbericht. Die Bank lädt für Sonntag, den Jahrestag des Super-GAUs, zur Geberkonferenz nach London.
Die zeitlichen Verzögerungen beim Bau der neuen Schutzhülle erklärt das Papier unter anderem damit, dass vor Baubeginn die Klage des unterlegenen Bieters im Vergabeverfahren geprüft werden musste. Später seien zudem Genehmigungsunterlagen zu spät fertig geworden.
„Einsturz nicht ausgeschlossen“
Erst seit einem Jahr wird die neue Ummantelung nun über den bisherigen Betonmantel gebaut. Dieser war nach dem Super-GAU 1986 überstürzt von Soldaten und Helfern über den strahlenden Reaktor gebaut worden und eigentlich nur als Provisorium für höchstens 15 Jahre gedacht. Dennoch ist er heute, fast 30 Jahre später, der einzige Schutz um die Reaktorruine. In deren Innerem lagern noch immer Unmengen verseuchten Schutts.
Ein Bericht des Umweltministeriums belegte erst vor zwei Jahren, wie prekär die Sicherheit in Tschernobyl noch immer ist. Das Papier listete „Neuschäden im KKW Tschernobyl“ auf, unter anderem Risse am Betonmantel. Trotz dessen mehrfacher Stabilisierung bis 2008 könne „ein Einsturz des Sarkophags, der zu einer Freisetzung von radioaktiven Stoffen in die Umgebung des Standorts führen würde, nicht ausgeschlossen werden“, hieß es damals.
Seit einem Jahr wird nun endlich an der neuen gigantischen Stahlhülle gebaut, deren Bogenkonstruktion von außen über den Sarkophag geschoben und die das gesamte Gelände umschließen soll. Sie soll 108 Meter hoch, 162 Meter lang und 257 Meter breit werden.
