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Sachsen Sachsen: Putin kommt zu Spurensuche nach Dresden

Von Jörg Schurig 05.10.2006, 06:48
Der Dresdner Schweißer Bernd Naumann präsentiert am 29.09.2006 ein Privatfoto, das Wladimir Putin in einer Militäruniform zeigt. Der 61-jährige Sachse hatte den heutigen Präsidenten Russlands vor 20 Jahren in Dresden kennen gelernt. Putin hatte sich von Mitte 1985 bis Anfang 1990 als Mitarbeiter des sowjetischen Geheimdienstes KGB in Dresden aufgehalten. Am Rande des «Petersburger Dialogs» am 10. Oktober in der Elbestadt hofft Naumann auf ein Wiedersehen mit «Wolodja». (Foto: dpa)
Der Dresdner Schweißer Bernd Naumann präsentiert am 29.09.2006 ein Privatfoto, das Wladimir Putin in einer Militäruniform zeigt. Der 61-jährige Sachse hatte den heutigen Präsidenten Russlands vor 20 Jahren in Dresden kennen gelernt. Putin hatte sich von Mitte 1985 bis Anfang 1990 als Mitarbeiter des sowjetischen Geheimdienstes KGB in Dresden aufgehalten. Am Rande des «Petersburger Dialogs» am 10. Oktober in der Elbestadt hofft Naumann auf ein Wiedersehen mit «Wolodja». (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Dresden/dpa. - Oder er spricht im Dialekt vom «kleenenPutin». Der Sachse überragt das Staatsoberhaupt um mindestens einenKopf. Dennoch sind sich beide vor 20 Jahren in Dresden auf Augenhöhebegegnet. «Offiziell sind wir per Sie, wenn wir uns sehen, duzen wiruns», sagt der 61-Jährige. Schreiben aus dem Kreml sind an Gospodin (Herrn) Naumann gerichtet. Der hofft beim Petersburger Dialog am10. Oktober in Dresden auf ein Wiedersehen.

Naumann lernte Putin 1986 kennen, im Jahr nach dessen Ankunft inder Elbestadt. Eines Tages habe der Wladimir mit anderen Russen aufdem Hof der Schweißerei im Industriegelände gestanden. Dass Putin einMann des Geheimdienstes KGB war, wusste Naumann damals nicht. SeinWissen beschränkte sich auf Äußerlichkeiten: «Ein unauffälligerMensch, sehr ruhig, immer gut gekleidet, der hat sich jedes Wortüberlegt», beschreibt der heutige Invalidenrentner den Ex-Agenten.«Ich habe ihn nie richtig lachen sehen, nur lächeln.»

Über Putins Dresdner Jahre von Mitte 1985 bis Anfang 1990 gibt esviele Spekulationen. Manches spricht dafür, dass er an der Elbe eherals kleines Rad im großen Getriebe des Geheimdienstes wirkte. HansModrow, in der Wendezeit Ministerpräsident der DDR und bis dahin SED-Bezirkschef in Dresden, hatte keinen Kontakt zu Putin: «Ich habe ihnerst viel später persönlich kennen gelernt.» Putins unauffälligesAgieren lag ganz in der Natur der Sache. Auch der Schweißer Naumannverlor ihn zur Wende aus den Augen - bis er ihn 1999 als Nachfolgervon Präsident Boris Jelzin im Fernsehen wiedersah.

Naumann wurde die Freundschaft zu den Russen quasi in die Wiegegelegt. Sein Vater Fritz Naumann war kurz vor Ende des ZweitenWeltkrieges einem Todesurteil der SS entkommen und hatte am 8. Mai1945 - dem Tag der deutschen Kapitulation und Befreiung vomNaziregime - mit den Sowjets eine Firma gegründet. Sein Sohn Berndwar da gerade zwei Tage alt. Die Spezialschweißerei der Naumannsarbeitete viel für die sowjetischen Militärs.

Abseits vom Geschäftlichen bedankten sich die Sowjets mitGeschenken, Privilegien und Herzlichkeit. Naumann erhielt einenAusweis und durfte im gut bestückten Russen-Kaufhaus ein- undausgehen. Dort hat er auch die Putins samt Töchtern beim Einkaufgesehen. «Ihre Wohnung war sehr gut eingerichtet, wie eine deutscheWohnung», lobt er. Der Hausherr selbst sei pedantisch gewesen, aberimmer die Höflichkeit in Person. «Auch beim Angeln in Moritzburg habeich Putin manchmal getroffen.»

Den angeblich großen Bierdurst des KGB-Mannes hält Naumann fürVerleumdung: «Er war beim Alkohol sehr zurückhaltend, hat höchstensmal ein Bier getrunken und ging dann in die Gaststätte "Am Thor".»Wirt Joachim Loch schweigt darüber eisern und spricht von Diskretion.Er sei ein «angenehmer Gast gewesen, mehr nicht». Loch widerstand derVersuchung, aus Putin Kapital zu schlagen. Als ein Stammgast vom«Thor» Putin als seinesgleichen enttarnte, bauten sich TV-Stationenaus aller Welt vor der Kneipe auf. Doch der Chef hielt dicht. Nur einFoto erinnert noch an den Liebhaber von Radeberger.

Mehr private Spuren Putins lassen sich in Dresden kaum finden.Anfang 1990 brach er seine Zelte hier ab, ein Wolga ging mit auf dieRückreise. Als er 2001 auf Staatsbesuch in Dresden weilte, trafNaumann ihn wieder. Seither gebe es einen regelmäßigen Kontakt, sagter und schweigt über Details. «Ich möchte diese Freundschaft nichtaufs Spiel setzen.» Dass die Putins gelegentlich privat nach Dresdenreisen, wo ihre jüngste Tochter Maria zur Welt kam, bleibt einGerücht - dazu liegen Sachsens Innenministerium offiziell keineErkenntnisse vor.