Rüstungs-Deal und Asyl Rüstungs-Deal und Asyl: Verhältnis zwischen Berlin und Ankara steht vor neuen Spannung

Berlin/Ankara - Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei ist nach dem Verfassungsreferendum ohnehin schon angespannt. Nun steht es vor neuen, schweren Belastungsproben. Der Waffenkonzern Rheinmetall will im Auftrag der türkischen Armee Leopard-Panzer nachrüsten. Das bringt die Bundesregierung in Bedrängnis.
Sie muss einem Rüstungsdeal mit einem Nato-Partner zustimmen, dem vorgeworfen wird, die Menschenrechte der kurdischen Minderheit zu missachten. Zeitgleich haben ehemalige Soldaten der türkischen Armee politisches Asyl in Deutschland erhalten. Das wiederum dürfte dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan missfallen.
Bislang kein grünes Licht von der Bundesregierung
Am 15. März dieses Jahres sprachen Vertreter der Rheinmetall AG bei Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) vor. Es ging unter anderem um einen potenziellen Auftrag aus der Türkei. Leopard-2-Panzer aus deutscher Produktion, die von der türkischen Armee gekauft worden waren, sollten mit Schutzsystemen nachgerüstet werden.
Bislang hat sich die Bundesregierung, die das Geschäft genehmigen muss, noch nicht abschließend zu dem Deal geäußert. In einer Antwort auf eine Anfrage der Linkspartei, die auf der Website des Wirtschaftsministeriums veröffentlicht ist, heißt es dazu: „Der Beachtung der Menschenrechte wird bei Rüstungsexportentscheidungen ein besonderes Gewicht beigemessen.“
Panzer könnten gegen Kurden eingesetzt werden
Menschenrechtler und die Opposition in Deutschland befürchten aber, dass die türkische Armee die mit deutscher Technik nachgerüsteten Panzer im Kampf gegen die Kurden einsetzen könnte. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) sagte dieser Zeitung: „Deutsche Rüstungsexporte in die Türkei sind schlichtweg untragbar.“
Die Türkei, der seit dem Verfassungsreferendum vom April diktatorische Verhältnisse drohten, führe im Südosten des Landes Krieg gegen die eigene Bevölkerung. „Die Vereinten Nationen berichten von massiver Zerstörung, zahlreichen Tötungen und weitreichenden Menschenrechtsverletzungen durch die türkische Armee“, sagte Roth: „Auch gegenüber Nato-Partnern wie der Türkei müsste da der sofortige Ausfuhrstopp ebenso selbstverständlich sein wie ein Ende jedweder Rüstungskooperation durch deutsche Unternehmen.“
Opposition stellt sich gegen Rüstungsdeals mit Türkei
Die Bundesregierung habe in den vergangenen Jahren zwar regelmäßig behauptet, bei Rüstungsexporten in die Türkei zurückhaltend zu sein, so die Grünen-Politikerin, die seit langer Zeit die türkische Politik gegenüber den Kurden kritisch begleitet. Das stehe allerdings „in klarem Widerspruch zur Genehmigungsrealität der vergangenen Jahre“. Von Zurückhaltung könne also keine Rede sein.
In ähnlich scharfem Ton verurteilte auch Sevim Dagdelen, Außenpolitikerin der Linkspartei, den geplanten Deal: „Wer Rüstungsexporte an Präsident Erdogan als normale unternehmerische Entscheidung sieht, handelt zynisch und unterstützt den Krieg gegen die Kurden. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Sigmar Gabriel müssen diese mörderische Außenwirtschaftspolitik beenden.“ Der Rüstungsexperte der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, Mathias John, sagte: „In der jetzigen Situation besteht das Risiko, dass solche Waffen auch für Menschenrechtsverletzungen genutzt werden.“
Ehemalige türkische Soldaten erhalten politisches Asyl
Neben dem Rüstungsgeschäft sind auch die Asylbegehren früherer türkischer Soldaten ein Problem, das die Beziehungen der Türkei zur Bundesrepublik belastet. Wie das Innenministerium bestätigte, erhielten jetzt mehrere türkische Staatsbürger politisches Asyl in Deutschland.
Es handelt sich dabei offenbar um Offiziere, die am Nato-Standort in Ramstein in Rheinland-Pfalz stationiert waren. Sie wurden im vergangenen Jahr nach dem Putschversuch in der Türkei vom Verteidigungsministerium in Ankara entlassen. Insgesamt haben bislang mehr als 400 türkische Soldaten, Diplomaten, Richter und Beamte Asylanträge in Deutschland gestellt
Türkei wirft Soldaten Verbindung zum Putschversuch vor
Die türkische Regierung wirft ihnen vor, mit den Putschisten sympathisiert zu haben. Die Gewährung von Asyl durch deutsche Behörden dürfte die Spannungen zwischen Berlin und Ankara noch verstärken. Grünen-Politikerin Claudia Roth sagte: „Die stetig steigende Zahl von Asylgesuchen türkischer Staatsangehöriger zeigt: Die Türkei ist kein sicherer Drittstaat, sondern schafft im Gegenteil täglich neue Fluchtursachen.“
Das sei ein Grund mehr, das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei aufzukündigen, so Roth: „Das Abkommen ist eine Folge der Weigerung der EU-Mitgliedstaaten, zu einer gemeinsamen, solidarischen Lösung in der Flüchtlingskrise zu kommen.“ Das habe die Europäer erpressbar gemacht und „den Entdemokratisierungskurs von Präsident Erdogan nur befeuert“.
Die Europäische Union und die Türkei hatten sich im März 2016 auf das Flüchtlingsabkommen geeinigt. Der Inhalt der Verabredung: Die Türkei verhindert, dass Schlepperorganisationen Flüchtlinge auf die griechischen Inseln in der Ägäis bringen. Die EU gibt der Türkei bis zum Jahr 2018 insgesamt sechs Milliarden Euro, mit denen die Lebensumstände der etwa drei Millionen Syrien-Flüchtlinge in der Türkei verbessert werden können.