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Russland Russland: Junge Männer dürfen bald auch Zivildienst leisten

Von Günther Chalupa 22.07.2003, 14:10
Russlands Präsident Waldimir Putin während einer Kabinettssitzung im Kreml in Moskau. (Foto: dpa)
Russlands Präsident Waldimir Putin während einer Kabinettssitzung im Kreml in Moskau. (Foto: dpa) ITAR-TASS POOL

Moskau/dpa. - Russlands junge Männer dürfen künftig zu Bettpfanne oder Schraubenzieher statt zur Waffe greifen. Präsident Wladimir Putin hat am Dienstag das Verteidigungs- und Arbeitsministerium angewiesen, die notwendigen Voraussetzungen für den Start des alternativen Zivildienstes vom 1. Januar kommenden Jahres an zu schaffen.

Bis zu dreieinhalb Jahre Dienst in staatlichen Einrichtungen sollen «Alternatiwschtschiki» ableisten. Nur Russen mit Hochschulabschluss kommen mit zwei Jahren davon. Dem stehen zwei Jahre härtester, oft schikanöser Wehrdienst im Heer oder drei Jahre in der Kriegsmarine gegenüber mit der Möglichkeit, zum Kampfeinsatz nach Tschetschenien beordert zu werden.

Dennoch schätzen russische Militärs, dass der Zivildienst keinen großen Zulauf haben dürfte. Experten des Verteidigungsministeriums erwarten, dass im kommenden Jahr zwischen 3000 und «höchstens 20000» junge Männer Anträge auf Zivildienst stellen. Allerdings ist diese niedrig angesetzte Prognose durch die Militärbrille erstellt, schließlich braucht die russische Armee im Frühling und Herbst eines jeden Jahres jeweils rund frische 170 000 Rekruten. Liberale Politiker hingegen schätzen, dass bis zu 50 000 Männer den Zivildienst vorziehen dürften.

Von den jeweiligen Jahrgängen desertieren rein statistisch jeweils 1600 Mann, meist weil sie Schikanen, Prügel und psychischen Druck in der Truppe nicht verkraften. Keine genauen Statistiken gibt es über die Zahl der wehrfähigen jungen Männer, die sich ihre Untauglichkeit mit mehreren tausend Dollar erkaufen, oder die den Einberufungsbefehl einfach ignorieren.

Dies soll jetzt durch das Angebot des Zivildienstes anders werden. Und in einigen Teilen Russlands laufen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren. In Weliki Nowgorod etwa wurde bereits eine Datenbank erstellt, in der die ersten Job-Angebote für die künftigen «Zivis» abzurufen sind - vom Hausmeister bis zum Krankenpfleger. In Moskau wurde eine Beratungsstelle eröffnet, in der potenzielle Wehrdienstverweigerer nähere Informationen über die genauen Schritte in den alternativen Zivildienst erhalten.

Arbeitsminister Alexander Potschinok sah schon im Vorjahr ein «enormes Job-Angebot» für Zivildienstleistende. Sein Ministerium sei in der Lage, «bis zu 500 000 Alternatiwschtschiki» zu beschäftigen. Sein Angebot reichte vom Techniker in Russlands Polarstationen bis hin zum Förster in den unendlichen Wäldern des Riesenreichs. Für das Ministerium scheinen Zivildienstleistende eine willkommene, weil kostengünstige Alternative zu sein - nach inoffiziellen Angaben sollen sie monatlich mit rund 3000 Rubel (rund 88 Euro) entlohnt werden.