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Russland Russland: Helfer bergen hunderte Tote aus der Schule von Beslan

04.09.2004, 14:54
Retter tragen aus der Schule in Beslan ein verletztes Mädchen, vorbei an hunderten Menschen, die auf Nachrichten über ihre vermissten Angehörigen warten. (Foto: dpa)
Retter tragen aus der Schule in Beslan ein verletztes Mädchen, vorbei an hunderten Menschen, die auf Nachrichten über ihre vermissten Angehörigen warten. (Foto: dpa) KOMSOMOLSKAYA PRAVDA/epa

Beslan/dpa. - Präsident Wladimir Putin sprach von einem Angriff auf ganz Russland und ordnete eine zweitägige Staatstrauer an.

Die ARD berichtete am Samstagnachmittag aus Beslan, ein Milizionär auf dem abgesperrten Schulgelände habe erklärt, dass die Bergungsmannschaften rund 500 Tote befürchteten. Einige verletzte Kinder wurden auch nach Moskau ausgeflogen. Ärzte kämpften weiter um das Leben vieler schwer verletzten Kinder. «Wir operieren rund um die Uhr», sagte Kasbek Gussow, Arzt im Unfallkrankenhaus von Wladikawkas, der nordossetischen Hauptstadt.

Knapp 24 Stunden nach dem Sturm auf die Schule, in er sichTerroristen zwei Tage lang mit etwa 1200 Kindern, Eltern und Lehrern verschanzt hielten, erklärten die Behörden den Einsatz am Samstagmittag für beendet. «Die Operation war erfolgreich», sagte Valeri Andrejew, Leiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB in der Teilrepublik Nord- Ossetien. Vize-Generalstaatsanwalt Sergej Fridinski erklärte, dass alle 26 Geiselnehmer - russische und ausländische Staatsbürger - getötet worden seien.

Die Bergungsarbeiten mussten immer wieder zur Beseitigung vonTrümmern und zur Suche nach Sprengsätzen unterbrochen werden. Viele Geiseln waren nach inoffizieller Darstellung durch die Explosionen im Schulgebäude sowie den Einsturz eines Teils des Daches getötet worden.

Eine Augenzeugin berichtete, dass die Terroristen unmittelbar nach der ersten Explosion in der Turnhalle wahllos aus automatischen Waffen auf die am Boden liegenden, zusammengepferchten Geiseln geschossen hätten. «Sie haben gnadenlos auf die Menschen geschossen», erzählte die 34-jährige Alla Gadsijewa. Nach ihrer Schätzung waren zu diesem Zeitpunkt fast 1000 Geiseln in der Halle. «Und auch als sich die Terroristen in Richtung Kellertreppe zurückzogen, schossen sieweiter auf die Liegenden.» Schon am Vorabend hatten Sanitäter gesagt, dass ungewöhnlich viele Opfer Schusswunden im Rücken hatten.

Präsident Putin kam am frühen Samstagmorgen zu einem Kurzbesuch in die Kaukasus-Stadt und sprach in einem Krankenhaus mit Opfern. Der Kremlchef ordnete die Abriegelung der betroffenen Teilrepublik Nordossetien an. Die Geiselnehmer hätten beabsichtigt, den Hass zwischen den Völkern in der Region zu schüren und das Pulverfass Nordkaukasus in die Luft zu jagen.

In einer Fernsehansprache kündigte er später eine Neuordnung derStreitkräfte im Nordkaukasus an. Die Sicherheitskräfte in der Region würden umgruppiert, um die Koordinierung von Armee, Polizei und Inlandsgeheimdienst zu verbessern. Allein in der Teilrepublik Tschetschenien, die nicht größer als das Bundesland Schleswig-Holstein ist, stehen schätzungsweise 70 000 russische Soldaten.

Im Gedenken an die vielen Toten des Geiseldramas von Beslanordnete Putin eine zweitägige Staatstrauer an. Am Montag und Dienstag solle im ganzen Land der Opfer der Tragödie im Nordkaukasus gedacht werden, sagte Putin am Samstag in der landesweit übertragenen Fernsehansprache.

Der blutige Ausgang des Geiseldramas löste weltweit Erschütterung aus. US-Präsident George W. Bush sicherte Russland Unterstützung beim Kampf gegen Terroristen zu. Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer verurteilten die Tat der Geiselnehmer als abscheuliches Verbrechen. Papst Johannes Paul II. äußerten sich entsetzt. Er bete für die Opfer und ihre Familien. Zugleich warnte Johannes Paul II. Moskau indirekt vor einer weiteren Zuspitzung derLage im Kaukasus: «Die Spirale von Hass und Gewalt darf nicht die Oberhand gewinnen.»

Nach Angaben des Krisenstabes war die Erstürmung der Schule amFreitagmittag notwendig geworden, nachdem die Terroristen auffliehende Geiseln geschossen hätten. Zuvor waren im GebäudeSprengsätze detoniert. Am Mittwochmorgen hatten mehrere Dutzendschwer bewaffnete Terroristen die Schule überfallen und Kinder,Lehrer und Eltern in ihre Gewalt gebracht.

Dieser Junge ist traumatisiert von den schrecklichen Ereignissen in der Schule in Beslan und weint nach der gewaltsamen Befreiung am 3. September 2004. (Foto: dpa)
Dieser Junge ist traumatisiert von den schrecklichen Ereignissen in der Schule in Beslan und weint nach der gewaltsamen Befreiung am 3. September 2004. (Foto: dpa)
EPA
(Grafik: dpa)
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dpa