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Russland Russland: Granitwürfel erinnern an 103 234 vermisste Soldaten

Von Stefan Voß 10.09.2006, 15:12
Zwei Menschen trauern am Samstag (09.09.2006) auf dem deutschen Soldatenfriedhof Rossoschka bei Wolgograd inmitten von Granitwürfel. Auf den insgesamt 107 Granitwürfeln sind mehr als 100 000 Namen von Soldaten eingraviert, die seit den Kämpfen um Stalingrad während des Zweiten Weltkriegs verschollen sind. (Foto: dpa)
Zwei Menschen trauern am Samstag (09.09.2006) auf dem deutschen Soldatenfriedhof Rossoschka bei Wolgograd inmitten von Granitwürfel. Auf den insgesamt 107 Granitwürfeln sind mehr als 100 000 Namen von Soldaten eingraviert, die seit den Kämpfen um Stalingrad während des Zweiten Weltkriegs verschollen sind. (Foto: dpa) dpa

Wolgograd/Moskau/dpa. - Mit dem Projekt sei für tausendeEhefrauen, Söhne und Töchter ein Ort für ein ganz persönlichesGedenken geschaffen worden, teilte der Volksbund DeutscheKriegsgräberfürsorge auf dem Soldatenfriedhof Rossoschka beiWolgograd, dem ehemaligen Stalingrad, mit. Aus Deutschland warenknapp 300 Angehörige von vermissten Wehrmachtssoldaten an die Wolgagereist.

Auf 107 wuchtigen Granitwürfeln sind die Namen von 103 234Vermissten eingraviert. Als Ingeborg Hellstern in den scheinbarendlosen Namensreihen auf ihren Vater stößt, verliert sie für einenMoment die Fassung. «Ich war total verkrampft und habe nur nochgeweint», berichtet die pensionierte Industriekauffrau aus demSchwarzwald anschließend. «Karl Sedelmaier, 25.10.1904, Jan 1943»steht im Heer der Namen auf dem elf Tonnen schweren Gesteinsblock -das Geburtsdatum des Vaters und der Monat, in dem sich seine Spur inden Kriegswirren für immer verlor.

Bei der Einweihungsfeier für die Gedenkstätte unterstreicht derPräsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, diebesondere Bedeutung des Soldatenfriedhofs Rossoschka, wo die Gebeinevon 48 000 deutschen Soldaten bestattet sind. Ein solcher Ort könne«zum Ausgangspunkt für Verständigung, Versöhnung und schließlich fürFreundschaft zwischen den Menschen ehemals verfeindeter Länder»werden, sagt Deutschlands oberster Verfassungsrichter in seiner Rede.

Leid und Trauer seien seiner Ansicht nach durchaus in der Lage,eine verbindende Kraft zwischen den Völkern zu entfalten, betontPapier. Der größte deutsche Soldatenfriedhof in Russland, in dessenNähe auch die sterblichen Überreste russischer Soldaten bestattetsind, sei ein Ort, der Geist und Herz öffne für das trauerndeErinnern.

Die 1939 geborene Ingeborg Hellstern erzählt, dass das ungewisseSchicksal des Vaters sie bis heute nie in Ruhe gelassen habe. «Jeälter ich werde, desto mehr fehlt er mir», berichtet sie auf demSoldatenfriedhof. Im Gegensatz zu anderen Kindern von Stalingrad-Kämpfern hat sie immerhin noch eine konkrete Erinnerung an den Vater:«Nach seinem letzten Heimaturlaub winkte mein Vater uns zum Abschieddurch das Rückfenster eines Busses noch einmal zu.»

Für Hellstern, die bereits zum dritten Mal nach Wolgograd gereistist, wird sich auch mit dem Namen des Vaters auf einem derGranitblöcke kein Kreis schließen. «Ich suche weiter. Ich glaubenicht, dass ich Frieden finden kann», sagt die Rentnerin. Zugleichverspüre sie aber auch ein Glücksgefühl, weil die Erinnerung an ihrenVater im fernen Russland endlich einen Ort gefunden habe. «Wennwieder die Gedanken in die Steppe gehen, weiß ich nun, wo er ist.»

Auf einem Granitwürfel ist am Samstag (09.09.2006) auf dem deutschen Soldatenfriedhof Rossoschka bei Wolgograd der Schatten einer Person zu sehen, die versucht, einen Angehörigen zu finden. (Foto: dpa)
Auf einem Granitwürfel ist am Samstag (09.09.2006) auf dem deutschen Soldatenfriedhof Rossoschka bei Wolgograd der Schatten einer Person zu sehen, die versucht, einen Angehörigen zu finden. (Foto: dpa)
dpa
Rote Nelken liegen am Samstag (09.09.2006) auf dem deutschen Soldatenfriedhof Rossoschka bei Wolgograd auf einem Granitwürfel. Auf den insgesamt 107 Granitwürfeln sind mehr als 100 000 Namen von Soldaten eingraviert, die seit den Kämpfen um Stalingrad während des Zweiten Weltkriegs verschollen sind. (Foto: dpa)
Rote Nelken liegen am Samstag (09.09.2006) auf dem deutschen Soldatenfriedhof Rossoschka bei Wolgograd auf einem Granitwürfel. Auf den insgesamt 107 Granitwürfeln sind mehr als 100 000 Namen von Soldaten eingraviert, die seit den Kämpfen um Stalingrad während des Zweiten Weltkriegs verschollen sind. (Foto: dpa)
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Infokarte große Soldatenfriedhöfe in Russland (Einweihung Rossoschka) (Grafik: dpa)
Infokarte große Soldatenfriedhöfe in Russland (Einweihung Rossoschka) (Grafik: dpa)
dpa