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Russland Russland: Etappensieg im Mordfall Politkowskaja

03.09.2009, 15:18

Moskau/dpa. - Russlands Oberstes Gericht ordnete nun unerwartet eine neueBeweisaufnahme an. Das hatten auch Deutschland sowie Menschenrechtlergefordert. Sogar die zuständige Staatsanwältin Anna Paschkowskajahatte die bisherigen Ermittlungen als lückenhaft kritisiert - imWiderspruch zur offiziellen Linie der Behörden, die den Mord schon imAugust 2007 für «aufgeklärt» hielten. Die Wende im Verfahren zeigteinmal mehr auch die Zerrissenheit des russischen Justizapparats.

Angehörige Politkowskajas und ihre Kollegen von derregierungskritischen Zeitung «Nowaja Gaseta» schöpfen wiederHoffnung. Sie hatten Staat und Justiz zuletzt vorgeworfen, an einerechten Aufklärung kein Interesse zu haben. «Ich vermute, dass esLeute gibt, die die Namen aller Schuldigen kennen - und die aber allekeine kleinen Posten innehaben», hatte der Vize-Chefredakteur SergejSokolow noch im August erklärt. Der Chef des Blatts, Dmitri Muratow,warnte wegen möglicher politischer Hintergründe bei dem Mord vorüberzogenen Erwartungen.

«Wir äußern eine zurückhaltende Genugtuung», sagte Muratow amDonnerstag. Die Ermittler hätten es seit drei Jahren nicht geschafft,den Auftraggeber des politischen Mordes zu nennen. Die Anwältin derPolitkowskaja-Familie, Karina Moskalenko, kritisierte, dass schon zuviel Zeit verstrichen sei. Doch auch sie meinte: «Die jetzigeEntscheidung ist ein Schritt hin zu einer völligen Aufklärung desFalls.» Ein Schritt. Moskalenko hatte im ersten Prozess gegen viermutmaßliche Mordkomplizen beklagt, dass die Beweise gegen die Männerfür eine Verurteilung bisher nicht ausreichten.

Russlands Oberstes Gericht verlangt jetzt, dass auch dermutmaßliche Mörder Rustam Machmudow in einen neuen Prozess einbezogenwerden müsse - selbst bei Abwesenheit. Der Tschetschene wird mitinternationalem Haftbefehl gesucht, hatte aber bereits seine Unschuldüber einen Anwalt beteuert. Auch der Auftraggeber, der zwei MillionenUS-Dollar für den Mord bezahlt haben soll, müsse gesucht werden. VorGericht standen zuletzt zwei Brüder Machmudows, die den Auftragsmordmit organisiert haben sollen. Sie waren jedoch aus Mangel an Beweisenim Februar gemeinsam mit einem ehemaligen Polizisten und einemfrüheren Geheimdienstler freigesprochen worden.

So gab es etwa an der Waffe, mit der Politkowskaja am 7. Oktober2006 vor ihrer Moskauer Wohnung erschossen worden war, keineDNA-Spuren der Machmudows. Die Freisprüche galten als schwereNiederlage für die Justiz, nachdem die russische Führung auchinternational immer wieder eine Aufklärung des Mordes zugesicherthatte. Wohl auch wegen dieses Versprechens, meinten Beobachter,kassierte das Oberste Gericht im Juni die Freisprüche.

Mit der Begründung, die Geschworenen seien bei ihrer - immerhineinstimmigen - Entscheidung manipuliert worden, ordneten die oberstenRichter eine Neuauflage des Prozesses an, allerdings zunächst ohneneue Beweisaufnahme. Beobachter hatten befürchtet, dass es nur darumgehen könne, die Angeklagten mit einer neuen Jury diesmal als«Sündenböcke» zu verurteilen. Dass nun aber alles wieder offen istund das Oberste Gericht jetzt doch ermitteln lassen will, gilt auchals ein Schritt in Richtung mehr Rechtsstaatlichkeit in Russland.

Kremlchef Dmitri Medwedew hatte wiederholt Reformen in dem alskorrupt und politisch gesteuert verschrienen Justizapparat angemahnt.Nach den jüngsten Morden an der tschetschenischen MenschenrechtlerinNatalia Estemirowa und dem Anwalt Stanislaw Markelow, die beide mitPolitkowskaja gearbeitet hatten, hat sich der Druck auf die Behördendeutlich erhöht. Die Aktivisten hatten immer wieder vor allem den«Staatsterror» in Tschetschenien kritisiert. Aufgeklärt wurden diepolitischen Morde wie viele andere aber nie.