Russland erkennt Südossetien und Abchasien an
Moskau/Tiflis/dpa. - Russland hat ungeachtet scharfer Warnungen aus dem Westen die Unabhängigkeit der von Georgien abtrünnigen Gebiete Südossetien und Abchasien anerkannt. Zugleich sicherte Präsident Dmitri Medwedew am Dienstag beiden Gebieten auch militärischen Beistand zu.
Als Konsequenz aus dem Konflikt will Russland außerdem seine Zusammenarbeit mit der NATO mindestens ein halbes Jahr aussetzen. Georgien protestierte gegen die Anerkennung der Unabhängigkeit, die auch international auf deutliche Kritik stieß, und nannte den Beschluss völkerrechtswidrig. In Südossetien und Abchasien kam es zu Freudenkundgebungen.
In einer vom Staatsfernsehen übertragenen Ansprache sagte Kremlchef Medwedew, Südossetien und Abchasien müssten vor weiteren möglichen Aggressionen aus Georgien geschützt werden. «Das ist die einzige Möglichkeit, das Leben der Menschen dort zu schützen.» Der Kremlchef sagte weiter, die Anerkennung sei keine leichte Entscheidung gewesen. Aber es sei in diesem Moment die einzig mögliche Entscheidung. Medwedew rief andere Länder auf, dem Schritt Russlands zu folgen.
Nachdem die NATO zuvor ihre Kontakte mit Russland im NATO- Russland-Rat auf Eis gelegt hatte, konterte Medwedew am Dienstag und setzte die Zusammenarbeit mit der NATO vorläufig aus. Davon betroffen sei ein für Mitte Oktober geplanter Besuch von NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer in Moskau. Diese Visite solle «besser verschoben werden», sagte der Vertreter Russlands bei der NATO, Dmitri Rogosin. Russland sage auch seine Teilnahme an internationalen Manövern ab. Das NATO-Informationsbüro in Moskau werde aufgefordert, seine Arbeit einzustellen. Moskau plane allerdings nicht, sein Territorium als Nachschubroute für die NATO-Truppe ISAF in Afghanistan zu sperren.
Russische Experten vermuten, dass der Kreml die Gebiete auch anerkannt hat, um die Anwesenheit seiner Truppen in Abchasien und Südossetien zu legitimieren. Georgiens Präsident Michail Saakaschwili hatte alle Abkommen über die Anwesenheit ausländischer Soldaten aufgekündigt.
Der Sekretär des georgischen Sicherheitsrates, Alexander Lomaja, sagte, die Anerkennung der Unabhängigkeit widerspreche den Verfassungen von Georgien und von Russland. Der Schritt werde Moskau international isolieren. Justizminister Nika Gwaramija sieht nach Moskaus Anerkennung «ernste politische Konsequenzen» auf Russland zukommen. Moskau müsse selbst mit eigenen separatistischen Problemen fertig werden und habe diesen Regionen nun Argumente geliefert, sagte er am Dienstag in Tiflis.
Medwedew folgte mit seiner Entscheidung einer Resolution des russischen Parlaments, das am Montag die Anerkennung Südossetiens und Abchasiens gefordert hatte. Vor seiner Ansprache hatte Medwedew nach Kremlangaben mit Regierungschef Wladimir Putin über «besondere Aspekte der Außenpolitik» beraten. Medwedew wiederholte die schweren Vorwürfe gegen die georgische Staatsführung. «Saakaschwili hat den Völkermord gewählt, um seine politischen Aufgaben zu lösen», sagte er. Mit dem Angriff georgischer Truppen auf Südossetien am 8. August seien die letzten Hoffnungen der Menschen in Südossetien und Abchasien auf ein friedliches Zusammenleben in einem gemeinsamen Staat zerstört worden.
Kritik des Westens wegen angeblicher Verstöße gegen den mit Frankreich ausgehandelten Sechs-Punkte-Plan für den Südkaukasus wies Medwedew in einem Interview des englischsprachigen Nachrichtensenders «Russia Today» zurück. «Russland hatte alle Verpflichtungen erfüllt», sagte der Kremlchef. Sein Land wünsche keine neue Konfrontation mit dem Westen. «Wir haben vor nichts Angst, auch nicht vor einem neuen Kalten Krieg. Aber wir wollen keinen.»
Die Präsidenten Südossetiens und Abchasiens, Eduard Kokojty und Sergej Bagapsch, dankten «Russland und dem russischen Volk» für die Anerkennung. «Das ist ein historischer Tag für unser Volk», sagte Bagapsch der Agentur Interfax. Seit Monaten hatten beide Gebiete immer wieder betont, sie forderten für sich das gleiche Recht auf Unabhängigkeit wie die ehemals serbische Provinz Kosovo. In beiden Regionen wurde die Entscheidung Russlands mit Begeisterung aufgenommen. Durch die Straßen der vom Krieg weitgehend zerstörten Hauptstadt Zchinwali liefen am Dienstag Menschen mit den Fahnen Russlands und Südossetiens.
Südossetien und Abchasien hatten sich nach dem Zerfall der Sowjetunion in Bürgerkriegen Anfang der 1990er Jahre von Georgien abgespalten und für unabhängig erklärt. Das jüngste Blutvergießen war ausgelöst worden, als Georgien Anfang August Südossetien angriff. Daraufhin waren russische Einheiten ins Nachbarland einmarschiert und hatten vorübergehend Teile des georgischen Kerngebietes besetzt. Russland kontrolliert derzeit weiter eine Pufferzone um die abtrünnigen Gebiete. Georgien sieht dies als Besetzung.