Rosa Luxemburg Rosa Luxemburg: Zank um eine Leiche
BERLIN/MZ. - Der Expertenstreit um den Verbleib der Leiche von Rosa Luxemburg (1871-1919) geht mit schrillen Tönen weiter. Vor dem 91. Todestag am 15. Januar meldeten sich jetzt Historiker zu Wort, die der These des Gerichtsmediziners Michael Tsokos widersprechen, die sterblichen Überreste der im Januar 1919 ermordeten Sozialistin befänden sich noch in der Berliner Charité. Der Historiker und Filmregisseur Klaus Gietinger: "Tsokos fälscht und ignoriert feststehende Fakten."
Die Kontroverse begann im Mai 2009. Damals überraschte Tsokos mit der Aussage, in der Charité liege seit rund 90 Jahren der Torso einer Frauenleiche, deren körperliche Merkmale auf Rosa Luxemburg zuträfen. Über die Identität sei er, Tsokos, sich "zu 99 Prozent sicher". Letzte Klarheit könnte ein DNA-Test mit noch lebenden Verwandten von Rosa Luxemburg bringen. Die Tsokos-Kritiker, darunter die Luxemburg-Biographin Annelies Laschitza, präsentierten nun eine Dokumentation unter dem Titel "Rosa Luxemburgs Tod - Dokumente und Kommentare".
Ihrer Version zufolge wurde die zweifelsfrei "echte" Leiche Rosa Luxemburgs Ende Mai 1919 aus dem Berliner Landwehrkanal geborgen, von nahen Angehörigen eindeutig identifiziert und später auf dem Friedhof Berlin-Friedrichsfelde beigesetzt. Gietinger: "In der Charité lag niemals die Leiche von Luxemburg." Ebenso wie Tsokos stützen sich Gietinger und Laschitza auf Indizien. Sie berufen sich auf Akten des Bundesmilitärarchivs in Freiburg (Baden-Württemberg). Dort stießen sie auf Obduktionsprotokolle und Zeugenaussagen zum Mord. Aufgrund der Dokumente sollten die Mörder - mehrere Freikorps-Soldaten - juristisch belangt werden. Der rechtslastige Justizapparat der Weimarer Republik verhinderte aber die Aufarbeitung der Geschehnisse.
Nach Angaben des Gerichtsmediziners Volkmar Schneider sind Tsokos' Mutmaßungen "so gut wie widerlegt". Genaue Messungen an dem rund 90 Jahre alten Frauen-Torso in der Charité deuteten auf eine "normale Körpergröße" hin. Rosa Luxemburg war dagegen nur 1,46 Meter groß. Auffällig sei auch, dass Tsokos zwar drei lebende Personen aufgespürt habe, die weitläufig mit Rosa Luxemburg verwandt seien. Über die Auswertung der genommenen Speichelproben hülle sich Tsokos jedoch in Schweigen.
Völlig unstrittig aber sind folgende Tatsachen: Die Grabstelle für Rosa Luxemburg ist seit vielen Jahren leer. Die dort begrabenen sterblichen Überreste sind 1941 von den Nazis beseitigt worden. Und: Die unbekannte Leiche wird bald zur letzten Ruhe gebettet. Nach Abschluss der Obduktion ist sie jetzt freigegeben worden und kann bestattet werden, hieß es aus der Staatsanwaltschaft Berlin. Wann und wo die Leiche beigesetzt werden soll, werde nicht vorher bekanntgegeben.