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Reportage Reportage: «U 31» ist das leiseste Unterseeboot der Welt

Von Charles Thibo 29.07.2004, 11:51
Die «U 31», das erste U-Boot der Welt mit Brennstoffzellenantrieb, während seiner ersten Testfahrt am 7. April 2003 auf der Ostsee. (Foto: dpa)
Die «U 31», das erste U-Boot der Welt mit Brennstoffzellenantrieb, während seiner ersten Testfahrt am 7. April 2003 auf der Ostsee. (Foto: dpa) YPS-Hamburg/HDW

Halle/MZ. - Hunderte Schläuche und Leitungen winden sich vom Bug bis zum Heck, Tausende von Stellschrauben, Ventilen, Kipp- und Drehschalter schimmern silbern oder kupfern, rote Knöpfe und Hebel signalisieren: Anfassen verboten. Jedenfalls für Unbefugte und Journalisten sind ganz sicher nicht befugt, etwas anzurühren. Sie sind sogar unbefugt, all dies zu sehen, doch das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB), unter dessen Aufsicht U 31 erprobt wird, hat eine Ausnahme gemacht.

Am Tag der Besichtigung liegt U 31 im Dock der Howaldtswerke-Deutsche Werft in Kiel. Es gibt ein Problem: Das leiseste Unterseeboot der Welt macht zu viel Krach. Irgendetwas versetzt den Propeller, der U 31 antreibt, in Schwingungen. Dadurch entstehen im Wasser Geräusche, die das U-Boot verraten würden. Unentdeckt ist ein U-Boot eine gefährliche Waffe: ein lautloser, unsichtbarer Killer. Verrät es aber seine Position, bleibt in der Regel nur die Flucht.

"Wir versuchen gerade, herauszufinden, was die Schwingungen verursacht", erklärt Günter Herbert, der für das BWB die Erprobung mit überwacht. Und leicht zerknirscht gibt er zu: "Damit hatten wir nicht gerechnet, denn es ist ein rein maschinenbauliches Problem und das beherrschen wir eigentlich." Hätte etwa die Brennstoffzelle Kinderkrankheiten aufgezeigt, wäre Herbert nicht überrascht gewesen. Denn diese Brennstoffzelle ist das eigentlich Revolutionäre an U 31.

Ein Wort zur Technik ist unvermeidlich. In der Brennstoffzelle fließen Wasserstoff und Sauerstoff zusammen und bei der daraus folgenden chemischen Reaktion entsteht Strom. Dieser Strom treibt den Elektromotor an, der über eine Welle mit dem Propeller verbunden ist. Das gab es bisher im U-Bootbau so nicht. Die meisten konventionellen U-Boote beziehen den Strom für die Elektromotoren aus Batterien, die regelmäßig mit einem Dieselgenerator aufgeladen werden. Dazu muss das Unterseeboot auftauchen oder wenigstens auf Seerohrtiefe gehen, um zu schnorcheln, sprich: Luft anzusaugen. Ohne Frischluft keine Dieselverbrennung. Aufgetaucht oder knapp unter der Meeresoberfläche ist das U-Boot aber verletzlich, weil es geortet werden kann.

"Darum geht es bei U 31: Mit dem Brennstoffzellenantrieb können wir rund zwei Wochen lang getaucht fahren und sind nicht zu entdecken", sagt Herbert. Ein herkömmliches diesel-elektrisches U-Boot taucht allenfalls drei bis vier Tage ununterbrochen, dann sind die Batterien leer. Gleichzeitig ist der neue Antrieb -anders als der Dieselgenerator -lautlos. Die US Navy hat das Problem der Tauchdauer anders gelöst: Ihre Atom-U-Boote können wochenlang getaucht fahren, denn Kernreaktoren brauchen keine Frischluft. Dafür sind Atom-U-Boote groß und laut, leichter zu orten und vor allem teuer.

Die Ingenieure haben keine Mühe gescheut, um U 31 zu einem unauffindbaren U-Boot zu machen: Der Propeller verursacht - wenn er so funktioniert, wie er funktionieren soll - nahezu kein Geräusch, das ein feindliches Sonar auffangen könnte. Der Turm und der Maschinenraum sind im Schiffskörper elastisch aufgehängt: Gummi-Puffer zwischen den einzelnen Zellen verhindern, dass Vibrationen von Maschinen und Geräten sich über den Rumpf fortpflanzen und nach außen dringen. Um ganz sicher zu gehen, dass U 31 im Ernstfall unentdeckt bleibt, ist das ganze Schiff aus nicht-magnetischem Stahl gefertigt. Normalerweise ist eine derart mächtige Konstruktion wie ein U-Boot von einem großen Magnetfeld umgeben. Mit speziellen Sensoren lässt sich das Magnetfeld unter Wasser aufspüren. Nicht so beim deutschen U 31, dessen Rumpf aus einer Legierung mit viel Nickel und wenig Eisen besteht.

Die Geschichte von U 31 beginnt mit den Überlegungen für eine neue U-Boot-Klasse, die Klasse 212, in den 80er Jahren. Die neuen Schiffe sollten wie ihre Vorgänger die sowjetische Ostseeflotte bekämpfen: Sie wären unter der ersten Angriffswelle des Warschauer Pakts hindurch getaucht und hätten als Einzelkämpfer die Nachschub-Konvois angegriffen.

Mittlerweile ist der Kalte Krieg vorbei und das erste von vier Unterseebooten der Klasse 212 sucht nach einer neuen Rolle, auch wenn das Bundesverteidigungsministerium das nicht zugibt. "Es gibt rund 300 U-Boote in etwa 30 Ländern", sagt der Sprecher der Marine, Fregattenkapitän Rainer Kümpel. Nicht alle diese Länder sind Deutschland oder der Nato freundlich gesinnt: Iran und Nordkorea wären zwei Beispiele. Kümpel zufolge könnten die deutschen U-Boote im Rahmen der neuen Aufgaben der Bundeswehr, etwa bei der Krisenbewältigung, Verwendung finden. U-Boote sind in der Lage, große Seeräume zu überwachen und dort die Sicherheit der Schifffahrt mit zu garantieren. Das wäre dann relevant, wenn die Marine außerhalb der deutschen Küstengewässer oder des Nato-Gebiets operiert, zum Beispiel im Indischen Ozean im Rahmen einer multinationalen Friedensmission. Oder im Persischen Golf. Oder in der Taiwan-Straße. Nur so ein Gedankenspiel.

Die Fähigkeit von U 31 zur verdeckten Aufklärung hält Kümpel für "unheimlich wichtig": Wo steht der Gegner und wie stark ist er? Legt er Seeminen aus, die Hilfskonvois oder die Landung einer Interventionstruppe behindern könnten? Auch Kampfhandlungen schließt der Marinesprecher nicht aus: "Wären wir während der Bosnienkrise in den 90er Jahren nicht ganz sicher gewesen, dass die beiden jugoslawischen U-Boote in ihrem Hafen lagen, hätten wir das UN-Embargo nicht so leicht durchsetzen können." Notfalls, lässt er durchblicken, hätten die jugoslawischen U-Boote von der Nato versenkt werden müssen.

"Das wäre eine neue Rolle für unsere U-Boote", meint Günter Herbert, der Mann vom BWB, einst Marineangehöriger. Die U-Boot-Jagd war bisher den Fregatten vorbehalten. U 31 könnte das wohl auch leisten. Den schweren Torpedos, die das Schiff an Bord hat, ist es egal, ob sie einen sowjetischen Truppentransporter oder ein U-Boot versenken.

Ein Szenario wie im Irak, als amerikanische und britische U-Boote mit Marschflugkörpern und Raketen Ziele an Land zerstörten, schließt der Marinesprecher für die Deutschen aus. "U 31 ist ja nur mit Torpedos bewaffnet", sagt er. Die Umrüstung auf Marschflugkörper werde in Marinekreisen allerdings diskutiert. Unverbindlich natürlich.

Die «U 31», das erste U-Boot der Welt mit Brennstoffzellenantrieb, während seiner ersten Testfahrt am 7. April 2003 auf der Ostsee. (Foto: dpa)
Die «U 31», das erste U-Boot der Welt mit Brennstoffzellenantrieb, während seiner ersten Testfahrt am 7. April 2003 auf der Ostsee. (Foto: dpa)
dpa