1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Renten: Renten: Vorschläge stoßen auf immer schärfere Kritik

Renten Renten: Vorschläge stoßen auf immer schärfere Kritik

23.08.2003, 17:30

Berlin/dpa. - Die Vorschläge der Rürup-Kommission zur Reform des Rentensystems stoßen auf immer schärfere Kritik. Noch bevor die Kommission an diesem Donnerstag ihren Bericht offiziell vorlegen wird, haben SPD-Politiker, Gewerkschafter und Wissenschaftler zentrale Reformansätze bereits verworfen. Dies betrifft vor allem eine Heraufsetzung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre. Der DGB will ein Minderheitengutachten vorlegen.

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Franz Müntefering, lehnte die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre ab. Das würde derzeit nicht viel bringen, sagte er der «Bild am Sonntag». Das eigentliche Problem liege darin, dass die Arbeitnehmer im Schnitt schon mit 59 oder 60 Jahren in den Ruhestand gingen. «Wir müssen darüber nachdenken, wie wir den tatsächlichen Rentenbeginn heraufsetzen können, möglichst nah an 65 heran», sagte Müntefering.

Auch die SPD-Fraktionsvize Gudrun Schaich-Walch ging auf Distanz. «Wir werden die Rürup-Vorschläge nicht eins zu eins umsetzen», sagte sie der «Welt am Sonntag». Beim Renteneintrittsalter sollte jeder selbst entscheiden, ob er über das 65. Lebensjahr hinaus arbeiten will. Radikale Renten-Kürzungen lehnte sie ab. «Eine Absenkung des Rentenniveaus auf 40 Prozent des durchschnittlichen Bruttolohnes (von jetzt 48 Prozent) ist mit der SPD nicht zu machen.» Allerdings hält Schaich-Walch einen Ausgleich zwischen der arbeitenden Generation und den Rentnern für nötig.

Die DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer bekräftige ebenfalls ihre grundsätzliche Kritik und kündigte ein Alternativgutachten an. Auch sie lehnte eine Erhöhung des Renteneintrittsalters ab. «Bevor man über eine Rente mit 67 redet, hätte man erst einmal die Voraussetzungen diskutieren sollen, wie das faktische Rentenalter angehoben werden kann», sagte Engelen-Kefer dem Kölner «Express» (Samstag). Die Frühverrentung sei missbraucht worden. «Wir haben in 60 Prozent der Unternehmen keine Arbeitnehmer mehr über 50 Jahren.»

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW/Berlin), Klaus Zimmermann, unterstützte die Kritik an einem höheren Renteneintrittsalter. Es müsse ein Anreizsystem geschaffen werden, ältere Arbeitnehmer länger zu beschäftigen, sagte er der «Welt am Sonntag».

Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Wolfgang Gerhardt, forderte, anstelle der starren Altersgrenze sollten die Beitragsjahre entscheidend sein. «Wer 45 Jahre lang eingezahlt hat, soll ohne Abschläge in Rente gehen können. Wer länger arbeitet, soll Zuschläge bekommen», sagte Gerhardt dem Magazin «Focus».

Der Präsident des Sozialverbands VdK, Walter Hirrlinger, kritisierte, die Rürup-Vorschlägen gingen an der Wirklichkeit vorbei. Der Staat «kann den Rentnern nicht immer mehr abverlangen», sagte Hirrlinger der «Stuttgarter Zeitung» (Samstag) und warnte vor einer zunehmenden Altersarmut: «Wir treiben die Leute in die Sozialhilfe.»

Einer Umfrage zufolge glaubt inzwischen eine Mehrheit, dass die Rente wegen der demographischen Entwicklung auf längere Sicht auf Sozialhilfe-Niveau absinken wird. Dies sagten 70 Prozent von 1000 Bürgern, die «Infratest dimap» im Auftrag der «Welt am Sonntag» gefragt hatte. In der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen befürchten 78 Prozent ein Absinken der Rente in Sozialhilfe-Nähe.

In der Rürup-Kommission haben sich mehrere führende Gewerkschafter gegen eine Ausweitung der privaten Altersvorsorge zu Lasten der gesetzlichen Rente ausgesprochen. In einem der «Berliner Zeitung» (Samstag) vorliegenden Minderheitenvotum erklärten DGB-Vize Engelen- Kefer, IG-BAU-Chef Klaus Wiesehügel und weitere Gewerkschafter, der Trend zur Privatisierung und der Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung dürften nicht weiter vorangetrieben werden.