1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Rente: Rente: Ansprüche im Osten sinken

Rente Rente: Ansprüche im Osten sinken

Von STEFAN SAUER 29.03.2010, 06:17

BERLIN/MZ - Der stellvertretende Vorsitzendeder FDP-Bundestagsfraktion, Heinrich LeonhardKolb, macht sich für eine gleiche Berechnungder Renten in Ost- und Westdeutschland stark.Vom 1. Juli 2011 an, dem Tag der übernächstenRentenanpassung, sollen die Renten in ganzDeutschland gleich berechnet werden. Auchdie stellvertretende SPD-Vorsitzende ManuelaSchwesig befürwortet einen solchen Schritt.Wichtige Fragen:

Wo liegt eigentlich der Unterschied?

Es geht um die Berechnung der Entgeltpunkte.Einen vollen Entgeltpunkt erhält, wer einJahr lang exakt den durchschnittlichen Rentenbeitragin die Rentenversicherung eingezahlt hat.Der Rentenbeitrag hängt von der Einkommenshöheab. Da das sozialversicherungspflichtige Durchschnittseinkommenim Osten geringer als das im Westen war undist, zahlt der Durchschnittsverdiener Ostauch weniger in die Rentenkasse ein. Ihm würdepro Arbeitsjahr kein voller Entgeltpunkt gutgeschrieben,sondern zum Beispiel bei 85 Prozent des Durchschnittsbeitrags- nur 0,85 Punkte.

Und die Ostdeutschen schauenin die Röhre?

Nein. Denn "bis zur Herstellung einheitlicherEinkommensverhältnisse" wurde ein "Hochwertungsfaktor"eingeführt, der die unterschiedlichen Durchschnittseinkommenin Ost und West ausgleicht. Ein Beispiel:Im Jahr 2008 betrug der Durchschnittsverdienstaller Rentenversicherten 30080 Euro, im Ostenrund 18 Prozent weniger, nämlich 25440 Euro.Daraus ergibt sich für 2009 ein "Hochwertungsfaktor"von 1,1827, so dass einem Arbeitnehmer mitdem Durchschnittverdienst Ost von 25440 Euroebenso ein voller Entgeltpunkt angerechnetwurde wie seinem Kollegen im Westen mit 30080Euro. Ein Beitragszahler Ost mit 30080 Euroerhielt folgerichtig sogar 1,1827 Entgeltpunktegut geschrieben.

Wie errechnet sich daraus dieRentenhöhe?

Vereinfacht gesagt so: Die im Lauf eines Erwerbslebensangesammelten Entgeltpunkte werden mit dem"Rentenwert" multipliziert. Dieser Wert wächstmit den jährlichen Steigerungen der Arbeitsverdienstean und soll sicher stellen, dass sich dieRenten im etwa gleichen Maße erhöhen wie dieArbeitsverdienste der Beitragszahler. Dabeigibt der Rentenwert selbst den monatlichenRentenanspruch in Euro an, der sich aus einemJahr durchschnittlicher Rentenbeitragszahlungen(also aus einem vollen Entgeltpunkt) ergibt.Nach der letzten Rentenerhöhung im Juli 2009stieg der Rentenwert im Osten auf 24,13, imWesten auf 27,20 Euro. Ein Arbeitnehmer mit40 Entgeltpunkten würde daher im Westen eineMonatsrente von 1088 Euro, im Osten von 965,20erhalten.

Was wäre die Folge einer gleichenBerechnung?

Bisher glich der Hochwertungsfaktor beider Entgeltpunktberechnung die niedrigerenRentenwerte im Osten mehr als aus. Fällt derFaktor weg, sinken die Rentenansprüche imOsten.

Wer wäre denn von sinkendenAnsprüchen betroffen?

Für alle, die am Stichtag des Inkrafttretensder neuen Regelung bereits in Rente sind,ändert sich nichts. Für Arbeitnehmer im Ostengilt: Bis zu diesem Stichtag angesammelteEntgeltpunkte nach dem alten Höherwertungsfaktorbleiben unangetastet. Von da an erarbeiteteAnsprüche würden aber für die Entgeltpunktenicht mehr hochgewertet.

Müssten Neurentner Ost alsoEinbußen durch eine gleiche Rentenberechnunghinnehmen?

Aller Voraussicht nach ja. Allerdings sinddie Einbußen vergleichsweise gering. Vielgravierender wirkt sich höhere Arbeitslosigkeitim Osten aus. Auch länger anhaltende schlechtbezahlte Tätigkeiten sind deutlich rentenmindernd.Besonders betroffen werden ostdeutsche Frauensein: Aktuelle Rentnerinnengenerationen erhaltenwegen der verbreiteten Frauenerwerbstätigkeitin der DDR im Schnitt eine deutlich höhereRente als ihre Altersgenossinnen im Westen.In 20 Jahren wird sich dies nach Berechnungendes Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschungumgekehrt haben.