Religion Religion: Politiker fordern stärkere Überwachung von Scientology
Berlin/dpa. - Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) kündigtean, zu prüfen, ob die Beobachtung in Berlin nach der veränderten Lagewieder aufgenommen werden kann. Nach einer Klage Scientologys war demLandesverfassungsschutz 2003 die Observierung verboten worden, da derLandesgruppe nicht ausreichend Aktivität nachgewiesen werden konnten.
Körting rechnet nicht damit, dass Scientology in der Hauptstadtstärker wird: «Scientology war bisher in Berlin inaktiv und hat hiernicht Fuß fassen können. Ich gehe davon aus, dass das so bleibt»,sagte er am Samstag der dpa. Mit dem Thema wird sich auch derVerfassungsschutzausschuss des Abgeordnetenhauses am 24. Januar lautInnenverwaltung befassen. Kritiker sehen in der Organisation eineprofitorientierte Sekte, die Mitglieder angeblich durchpsychologische Methoden abhängig und manipulierbar macht. Scientologybezeichnet sich selbst als Religionsgemeinschaft.
Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) kritisierte KörtingsLinie als grob fahrlässig. «Es ist das falsche Signal, so zu tun, alsgehe keine Gefahr von Scientology aus.» Wohl auch daher habe sich dieOrganisation den Standort Berlin ausgesucht. Die Bundes-Grünenstellten sich hinter Körting: «Dass sich das Land Berlin an einUrteil seines Verfassungsgerichts hält, kann man nichtskandalisieren», sagte der Geschäftsführer der Bundestagsfraktion,Volker Beck, am Sonntag der «Netzeitung».
Man müsse aufpassen, ob Scientology missionarisch tätig werde undsich Menschen gefügig mache, mahnte Bundestags-Vizepräsident WolfgangThierse (SPD) in der «Berliner Zeitung» (Samstag). Er forderte, zuprüfen, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Beobachtungverstärken müsse. Experten warnen nach neuen Hauptstadt-Zentralen inBrüssel, Madrid und London vor einer europaweiten ExpansionsstrategieScientologys. Einem internen Strategiepapier zufolge, das der dpavorliegt, will Scientology «die nötigen Zufahrtsstraßen in dasdeutsche Parlament» bauen.
Zur Eröffnung in Berlin-Charlottenburg kamen nach Polizeiangabenrund 1500 Unterstützer aus Deutschland, Europa und den USA. Auchisraelische Gruppen schwenkten in der Otto-Suhr-Allee ihre Fahnen.Anwohner protestierten mit Schildern wie «Gehirnwäsche - Nein Danke»friedlich gegen den neuen Nachbarn. Zur Eröffnung kam auch US-Jazzmusiker Chick Corea. Die Organisation sprach von 5000 Gästen,erwartet hatte sie doppelt so viele.
In einem «Informationszentrum» im Erdgeschoss werden in dem Hausauf Bildschirmen und Tafeln Lehre und Wirken der Organisationgepriesen. Etwa sechs Stunden dauert ein Rundgang laut Scientology-Sprecher Frank Busch. Zudem gibt es eine Kapelle, Seminarräume, Bürosund rund 30 Zimmer für seelsorgerische «Behandlungen».
Brandenburgs Wirtschaftsminister, Ulrich Junghanns (CDU), warntevor einem Imageschaden für die Region. Bayerns Innenminister GüntherBeckstein (CSU) warf Berlin in der Hannoverschen «Neuen Presse»(Wochenendausgabe) vor, die Gefahr von Scientology zu unterschätzen.Die Sektenbeauftragte der Unions-Bundestagsfraktion, Antje Blumenthal(CDU), forderte im Deutschlandradio Kultur eine stärkere Fortbildungvon Lehrern, um Jugendliche frühzeitig sensibilisieren zu können.
Die Organisation wird wegen «Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung» vom Bundesverfassungsschutz und mehrerenLandesämtern beobachtet. Die Organisation verfügt laut Bundesamt fürVerfassungsschutz über einen eigenen Geheimdienst, der sich «nicht anRecht und Gesetz gebunden sieht». Nach Vorstellung des Gründers sinddie Grundrechte nicht uneingeschränkt für alle Menschen gültig.