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Rechtsextremismus Rechtsextremismus: Dunkelblond, braun, brutal

Von Bernhard Honnigfort 27.11.2011, 19:45

Jena/MZ. - Es gibt wenige Bilder von ihr, eins davon stand am 21. Februar 1998 in der Ostthüringer Zeitung, es zeigt eine junge Frau, ihr Blick wirkt müde, leicht gelangweilt. Darunter fünf Zeilen: "Beate Zschäpe, geb. Apel - Sie ist 23 Jahre alt, 160 cm groß, schlank, hat ein unauffälliges Äußeres, trägt dunkelblondes, schulterlanges, leicht gewelltes Haar." Neben ihrem Bild die Fotos von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Beate Zschäpe, heute 36 Jahre alt, ist die Überlebende des rechtsextremen Jenaer Terroristentrios, das fast vierzehn Jahre lang abgetaucht war, schwer bewaffnet durch Deutschland zog und vermutlich zehn Morde an Türken und Griechen sowie einer Polizistin beging. Außerdem einen Bombenanschlag in Köln sowie 14 Banküberfälle, die meisten im Gebiet um Chemnitz.

Nur ein paar Worte gewechselt

Zschäpe sitzt derzeit im Gefängnis Köln-Ossendorf in strenger Einzelhaft und schweigt. Am 4. November, als die Polizei ihren Komplizen Mundlos und Böhnhardt nach einem Banküberfall in Eisenach auf die Spur gekommen war, hatte sie die gemeinsame Wohnung in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau in die Luft gesprengt. Während vermutlich Mundlos Böhnhardt in den Kopf schoss, dann das Wohnmobil, in dem sie sich versteckten, anzündete und sich selbst die Pistole in den Mund steckte und abdrückte, räumte Zschäpe auf, legte Feuer, brachte die Kätzchen zur Nachbarin, verschickte die zynischen Paulchen-Panther-Bekenner-Filme und suchte sich einem Anwalt. Dann stellte sie sich der Polizei.

Über Beate Zschäpe ist in Jena so gut wie nichts bekannt. Es gibt viele Gerüchte und noch mehr Gerede. Nachbarn in Zwickau erlebten eine junge Frau, die höflich ein paar Worte wechselte, ansonsten unauffällig blieb. Sie galt als die Freundin von Mundlos.

Die Bild-Zeitung machte aus ihr einen "heißen Feger" und eine "Nazi-Braut", druckte ein Foto, das sie im Alter von etwa 18 Jahren Bravo lesend auf einem Sofa zeigt, Mundlos an ihrer Seite. Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner rätselte, ob sie eine bösartige Kriminelle sei oder eine tief verzweifelte Frau, die lieber mit Mördern lebe, als einsam zu sein.

Beate Zschäpe lebte als Kind bei der Mutter in Jena-Winzerla in der Erich-Zielinski-Straße. Angeblich hing über ihrem Bett eine Reichskriegsflagge, angeblich hatte sie ein Monopoly-Spiel mit einem "KZ-Feld". Sie fing eine Gärtnerlehre an, ob sie einen Abschluss machte, ist unklar. Sie blieb arbeitslos. In Winzerla gab es den "Winzer-Clan", eine Gruppe rechtsradikaler junger Leute. Unter ihnen tauchte Zschäpe auf und mischte angeblich neben Mundlos und Böhnhardt bald vorn mit. Die Linken-Abgeordnete Katharina König aus Jena erinnert sich: Mundlos und Böhnhardts seien damals durch die Plattenbauviertel der Stadt gezogen und hätten Leute verprügelt. Zschäpe habe zum harten Kern gehört. "Die drei avancierten schnell zur Nummer eins in Jena." Gegenüber Polizisten soll sie nach ihrer Festnahme in Zwickau gesagt haben, die beiden seien ihre Familie gewesen.Während Mundlos und Böhnhardt unverkennbar Neonazis waren, kahlköpfig und in Springerstiefeln, blieb Zschäpe äußerlich unauffällig. Sie gehörte angeblich auch keiner rechtsextremen Frauen-Organisation an. Dennoch, und das wird häufig in Jena erzählt, galt sie als brutaler Neonazi: Einer jungen Frau soll sie den Fuß gebrochen haben, andere sprechen von einem Arm.

Das Plattenbauviertel in Winzerla wurde 2002 gründlich saniert. Heute wohnen andere Leute dort als vor zehn Jahren. Ehemalige Nachbarn sind fortgezogen. Die Schule, in die Böhnhardt - vielleicht auch Zschäpe - gegangen sein sollen, ist abgerissen. Alle Schulakten sind nicht auffindbar. Ein Mann, der damals in der Erich-Zielinski-Straße lebte und Beate Zschäpe kannte, will heute nichts mehr davon wissen. Er habe "keinen Bock", darüber zu reden.

Beate Zschäpes Mutter lebt seit dreizehn Jahren mit der Oma im Norden von Jena. Auch sie will nicht über ihre Tochter reden. Es sei schon schwer genug, sagt sie über die Sprechanlage des Hauses. Über den Vater, dessen Nachnamen Tochter Beate angenommen haben soll, ist nichts bekannt.

Hartnäckig hält sich das Gerücht, Beate Zschäpe habe ein doppeltes Spiel gespielt und für den Verfassungsschutz gearbeitet: "Es heißt, sie soll auf mehreren Hochzeiten getanzt haben", sagt ein Kenner der Neonazi-Szene. Vielleicht erfährt man mehr, wenn sie demnächst vor Gericht steht.

Beate Zschäpe alias Silvia Pohl alias Lisa Pohl alias Mandy Stuck alias Susann Deinelt alias Susann Eminger - lauter Namen, die sie zwischen 1998 und 2011 benutzt haben soll - schweigt und hofft darauf, einen Strafnachlass zu bekommen, wenn sie als Kronzeugin auspackt. Generalbundesanwalt Harald Range will offensichtlich nicht auf einen solchen Deal eingehen. Bei mutmaßlich zehn Morden, so Range, tue er sich schwer.

Lebenslange Haft droht

Sie hat, soviel ist heute klar, die Wohnungen gemietet, in denen sich die drei versteckten. Und die meisten Wohnmobile, mit denen sie durch Deutschland auf Mordtour zogen. Sie selbst soll nicht zur Waffe gegriffen und getötet haben, meldete Süddeutsche.de aus Ermittlerkreisen. Aber dass sie nicht wusste, was Mundlos und Böhnhardt taten, ist völlig undenkbar. Sie muss mit lebenslanger Haft rechnen.