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Kommentar zu Merkels Türkei-Kurs Recep Tayyip Erdogan vs. Angela Merkel: Helfen Auftrittsverbote gegen türkische Politiker wirklich weiter?

Von Daniela Vates 15.03.2017, 10:24
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan spricht am 14.03.2017 in seinem Palast in Ankara zu Angestellten im Gesundheitsbereich.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan spricht am 14.03.2017 in seinem Palast in Ankara zu Angestellten im Gesundheitsbereich. Pool Presidential Press Service

Berlin - Ein autoritärer Staatspräsident, der seine Gegner ins Gefängnis stecken lässt, wirft Deutschland Nazi-Methoden vor. Er bezeichnet die Kanzlerin als Terrorpatin. Sein Außenminister zeigt bei einem Auftritt in Hamburg einen Rechtsextremen-Gruß.

Die Türkei befindet sich im Wahlkampf und Recep Tayyip Erdogan und die Seinen führen ihn ohne Pardon. Das hat einen Grund: Die türkische Wirtschaft ist unter Druck, ganz so gut läuft es nicht innertürkisch. Da kommt ein Feind von außen gerade recht. Er schließt die Reihen.

Es trifft sich gut für ihn, dass auch in europäischen Ländern Wahlkampf ist. In den Niederlanden hat die die konservative Regierung, die sich vor der Parlamentswahl am heutigen Mittwoch von den Rechtspopulisten bedrängt sah, Auftritte türkischer Regierungsmitglieder untersagt und sogar eine Ministerin von der Polizei außer Landes eskortieren lassen.

Auch Saarlands Ministerpräsidentin hat Auftrittsverbot angekündigt

Auch in Deutschland wird im Herbst gewählt, davor noch in einigen Bundesländern, als erstes in zehn Tagen im Saarland. Dessen CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, die sich ihrer Wiederwahl ebenfalls nicht sicher sein kann, hat nun ebenfalls ein Auftrittsverbot angekündigt – rein präventiv, denn bisher ist nicht bekannt, dass türkische Politiker Veranstaltungen im kleinen, abgelegenen Saarland geplant hätten. Und auch der Unions-Teil der Bundesregierung, bisher offensiv gelassen, verschärft nun den Ton und spricht von möglichen Einreiseverboten.

Verständlich daran ist, dass Aggression, haltlose und überzogene Vorwürfe und rechtswidriges Verhalten (wie das Verwenden rechtsextremer Symbole) schwer zu ertragen sind. 

Problematisch ist, dass Auftrittsverbote genau ins Kalkül von Erdogan passen – er kann dann wieder eine neue Runde Nazi-Vorwürfe draufsatteln.

Bei Veboten gilt es, die Konsequenzen zu bedenken

In einer solchen Lage, in der man scheinbar nur verlieren kann, weil man Erdogans Furor entweder ohnmächtig gewähren lässt oder ihn durch Gegenmaßnahmen befeuert, hilft nur ein sehr kühler Kopf. Bei Verboten gilt es, die Konsequenzen zu bedenken: Was genau löst ein Verbot aus? Und wen würde es im internationalen Rahmen sonst noch treffen?

Wer sich aber vom Wahlkampf antreiben lässt, wie Kramp-Karrenbauer mit ihrer durchsichtigen Geste, mit der sie im Namen der CDU nicht nur aufs Saarland und ihr eigenes politisches Überleben zielt, sondern offenkundig auch die gleichsam vor Wahlen stehenden SPD-Landesregierungen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen unter Druck setzen will, wirkt erst recht hilflos.

Der nahe liegende Versuch, die Kanzlerin eine erdoganähnliche Schimpftirade an die Adresse des türkischen Präsidenten loswerden zu lassen, ist unrealistisch. Er wäre vermutlich auch nicht von Erfolg gekrönt. Das Verständnis Erdogans für Ironie ist nicht besonders ausgeprägt.

Die türkische Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya war am 11.03.2017 von niederländischen Sicherheitskräften vor dem türkischen Generalkonsulat in Rotterdam gestoppt worden.
Die türkische Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya war am 11.03.2017 von niederländischen Sicherheitskräften vor dem türkischen Generalkonsulat in Rotterdam gestoppt worden.
AP