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Reaktionen in Deutschland Reaktionen in Deutschland: Streit um deutsche Hilfe verschärft sich

21.03.2003, 14:56
Bundeskanzler Gerhard Schröder (Foto: dpa).
Bundeskanzler Gerhard Schröder (Foto: dpa). dpa

Berlin/dpa. - Der Streit über die Rechtmäßigkeit der deutschen Hilfe im Irak-Krieg kommt nun vor das Bundesverfassungsgericht: Die FDP kündigte für nächste Woche eine Klage wegen der Einsätze von Bundeswehrsoldaten in AWACS-Aufklärungsflugzeugen zum Schutz des NATO-Landes Türkei gegen irakische Angriffe an. Laut einem Zeitungsbericht vom Freitagabend will die Regierung die deutschen AWACS-Besatzungen abziehen, falls türkische Truppen in den Irak einmarschieren. Außer bei den AWACS-Flügen gibt es auch beim Einsatz deutscher ABC-Abwehrsoldaten in Kuwait und bei der Gewährung der Überflugrechte für die USA Zweifel, ob Deutschland damit nicht bereits in den Krieg verwickelt ist. In der Bevölkerung hält unterdessen der Protest an.

   Die FDP stellt nicht die deutsche Beteiligung an AWACS-Flügen in Frage. Ihr geht es nach eigenen Angaben um einen Beschluss des Bundestages, damit die Soldaten mehr Rechtssicherheit bekommen. Die rot-grüne Regierung hält das für überflüssig, weil es sich nicht um einen Kampfeinsatz, sondern um die Erfüllung von NATO-Pflichten handele. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sagte, die FDP nehme mit ihrer Klage ein Recht wahr. «Man wird sehen, was daraus wird.» Die Union wird sich der Klage nicht anschließen.

Ein ungenanntes Mitglied des Sicherheitskabinetts sagte der «Leipziger Volkszeitung» (Samstag), mit dem von der Türkei gewünschten Einmarsch ihrer Truppen in den Irak wäre «die Grundlage unserer Beistandsleitung im NATO-Bündnis für die Türkei entfallen». Das Bundespresseamt verwies auf Anfrage lediglich auf Aussagen des Vize-Regierungssprechers Thomas Steg vom Tage. Der hatte erklärt, es gebe «keine Anzeichen dafür», dass sich der Status der Türkei in dem Konflikt ändere. Ankara will US-Überflüge nur gestatten, wenn eigene Truppen in das Nachbarland Irak einrücken dürfen; die USA verweigern dies bisher.

Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, Reinhold Robbe (SPD), sagte der «Nordwest-Zeitung» (Samstag), er glaube, dass die Soldaten zurückgezogen würden, sollte der AWACS- Einsatz über die reine Sicherung der NATO-Außengrenze hinausgehen.

   Generalbundesanwalt Kay Nehm lehnte unterdessen Ermittlungen gegen Schröder und andere Regierungsmitglieder wegen angeblicher Vorbereitung eines Angriffskriegs ab. Es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte, die einen entsprechenden Anfangsverdacht begründeten, teilte Nehm mit. Die PDS und mehrere Bürger hatten Anzeige erstattet, weil Deutschland den USA Überflugsrechte gewährt hat und sich an AWACS-Flügen beteiligt. Gegen CDU-Chefin Angela Merkel und den Vize- Fraktionschef der Union, Wolfgang Schäuble, wurde Strafanzeige wegen Unterstützung eines Angriffskrieges gestellt.

   Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) schickte am Freitag 110 Soldaten des ABC-Abwehrbataillons aus dem ostwestfälischen Höxter nach Kuwait. Sie sollen das dort stationierte Kontingent zur Abwehr atomarer, biologischer und chemischer (ABC) Kampfstoffe verstärken.

   Die Proteste gegen den Angriff auf den Irak hielten auch am zweiten Tag des Krieges an. Am Morgen löste die Polizei in Stuttgart eine Blockade von 50 Kriegsgegnern vor der Zufahrt zum US- Europakommando auf. In Frankfurt am Main gingen rund 7000 Menschen aus Protest gegen den Militärschlag auf die Straße, in Halle mehrere tausend Schüler. Am Vortag hatten sich rund 200 000 Menschen im ganzen Land an Demonstrationen beteiligt.

   Nach einer Razzia gegen mutmaßliche islamistische Terroristen in Berlin nahm die Bundesanwaltschaft sechs Personen vorläufig fest. Sie stehen im Verdacht, im Zusammenhang mit dem Kriegsbeginn Anschläge in Deutschland geplant zu haben. Fünf wurden am Freitagnachmittag wieder freigelassen.

   Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) bat die Länder am Freitag, Flüchtlinge aus dem Irak vorerst nicht mehr in ihre Heimat abzuschieben. Zugleich wies der Minister das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Nürnberg an, Asylverfahren gegen Iraker auszusetzen.