Reaktionen aus Sachsen-Anhalt Reaktionen aus Sachsen-Anhalt: Warum die CDU den GroKo-Koalitionsvertrag bejammert

Magdeburg - In Magdeburg war die Welt am Donnerstag in Ordnung. Zumindest für Lutz Trümper. Der SPD-Mann, der nicht nur Oberbürgermeister der Landeshauptstadt ist, sondern auch als Präsident für den Städte- und Gemeindebund spricht, versprühte am Tag nach der Koalitions-Einigung zwischen Union und SPD Aufbruchstimmung.
Der Grund: Für die Städte und Gemeinden sieht Trümper dank dem Vertragsentwurf gute Perspektiven. „Wenn das Vereinbarte jetzt umgesetzt wird, ist das ein sehr gutes Paket für die Kommunen“, sagte er der MZ. „Mehr Geld für den Schulausbau, die Übernahme von Kita-Kosten, Zusagen beim Straßenbau. Da kommt richtig viel Geld in Städten und Gemeinden an.“
Das Lob kommt von einem, der Querschüsse nicht scheut: 2015 verließ Trümper die SPD im Streit über die Flüchtlingspolitik, seit 2017 ist er wieder an Bord.
Seit sich am Mittwoch in Berlin Sozialdemokraten und Union auf einen Koalitionsvertrag einigten, erschallen wieder lautstarke No-GroKo-Rufe in der SPD. Die Kritiker sehen zu wenig sozialdemokratisches Rot im Vertrag - andere grollen der Parteiführung, weil diese noch im September ein Bündnis mit der Union ausgeschlossen hatte. Richtung Kritiker sagte Trümper am Donnerstag: „Entweder haben sie den Vertrag nicht gelesen, oder sie sind grundsätzlich gegen so eine Koalition.“
Und appellierte: „Die vereinbarten Ziele sind viel greifbarer, als einfach zu sagen: Wir ziehen uns in die Schmollecke zurück und hoffen auf 50 Prozent bei der nächsten Wahl.“
„Für den Inhalt des Koalitionsvertrags vergebe ich eine 3 plus“
Auch Ministerpräsident und GroKo-Verhandler Reiner Haseloff (CDU) wirbt damit, dass von den künftig zusätzlich zu verteilenden 46 Milliarden Euro etwa 75 Prozent bei den Kommunen ankommen werden.
Doch nicht bei allen Christdemokraten in Sachsen-Anhalt verfängt dieses Werben. Stattdessen kritisierten am Donnerstag hochrangige CDU-Mitglieder das Ergebnis. „Für den Inhalt des Koalitionsvertrags vergebe ich eine 3 plus“, sagte Generalsekretär Sven Schulze der MZ. „Mit der Ministeriumsverteilung und der Besetzung bin ich ehrlich gesagt nicht zufrieden. Diese Kritik nehme ich bei vielen CDU-Mitgliedern im Land wahr.“
So monierte Schulze, dass kein ostdeutscher Minister im Kabinett sitzen soll. „Darüber bin ich ehrlich gesagt verwundert und enttäuscht“, so Schulze. „Die neuen Länder sind eine wichtige und große Region.“ Zudem sagte er: „Ich hätte dort gerne auch ein junges Gesicht gesehen.“
Dem 38-jährigen Europa-Abgeordneten stößt vor allem der Verlust des strategisch wichtigen Finanzministeriums an die Sozialdemokraten bitter auf. „Das tut uns ein Stück weit weh“, sagte Schulze. „Das Finanzministerium ist das stärkste Ressort - am Ende des Tages kann es auch in inhaltlichen Fragen sein Veto einlegen.“ Laut Vertragsentwurf soll die SPD in der neuen Bundesregierung das Finanz-, das Außen- und das Arbeitsministerium übernehmen. „Ich hoffe jetzt nicht darauf, dass wir nur noch Geschenke machen, sondern unser Land weiter international wettbewerbs- und leistungsfähig machen“, sagte Schulze.
SPD-Mitglieder kritisieren das eigene Spitzenpersonal
Indes kritisieren nun auch SPD-Mitglieder das eigene Spitzenpersonal. Der Magdeburger Landtags-Abgeordnete Falko Grube sagte: „Martin Schulz hatte ausgeschlossen, in ein Kabinett Merkel zu gehen. Dass er jetzt trotzdem Minister werden will, hat mich sehr enttäuscht. Dass er so sang- und klanglos den Parteivorsitz abgegeben hat, ebenfalls.“
CDU-Mann Schulze sagte, abgesehen von der Ressortbesetzung könne er gut mit dem Koalitionsvertrag leben. Für Braunkohlegebiete und strukturschwache Regionen werde gesorgt, der Bund habe Hilfe bei Rentenzahlungen zugesagt. Positiv sieht er auch die Abmachungen zum Immobilienmarkt: Union und SPD wollen unter anderem die Mietpreisbremse nachziehen.
Ähnlich äußerte sich Halles CDU-Stadtverbandschef Marco Tullner. „Der nun vorliegende Vertrag lässt kaum Wünsche offen. Wie diese finanziert werden sollen, erscheint teilweise rätselhaft.“ Aus dem Vertrag zwischen CDU, CSU und SPD spreche „die Strategie, viele Konflikte mit Geld zu lösen“, so Tullner, auch Bildungsminister in Sachsen-Anhalt. „Ob diese Taktik aufgeht, wird sich zeigen.“
CDU-Landeschef Thomas Webel zeigt sich zuversichtlich
Er prognostizierte, die aktuelle Freude der SPD über das Finanzministerium werde nur von kurzer Dauer sein. „Wichtig ist, was umgesetzt wird. Angekündigt wurde schon viel, gerade auch im Bildungsbereich.“ Er sei „insgesamt skeptisch“, auch angesichts der Minister-Vorschläge. „Ich erwarte, dass die Personalauswahl des neuen Kabinetts für Zukunft und Perspektiven steht.“
Demonstrativ zuversichtlich zeigte sich CDU-Landeschef Thomas Webel: Das Stimmungsbild werde sich ins Positive drehen, „wenn die Verhandlungsergebnisse in ihrer Breite wahrgenommen werden“. Zugleich feuerte er gegen die SPD, die bis März einen offenen Mitgliederentscheid über das Bündnis abhalten wird: „Allen muss klar sein, dass bei einem Veto der Basis die Selbstzerstörung der Partei nicht nur ungebremst weiter gehen, sondern noch an Fahrt gewinnen würde“, so Webel. Die CDU stimmt am 26. Februar auf einem Bundesparteitag über die Koalition ab.
(mz)