Reaktion auf Irak-Krieg Reaktion auf Irak-Krieg: Schröder spricht von falscher Entscheidung

Berlin/dpa. - Bundeskanzler Gerhard Schröder hat den Angriff der USA auf den Irak als falsche Entscheidung kritisiert. Deutschland werde sich nicht an dem Krieg beteiligen, aber seine Verpflichtungen aus dem NATO-Bündnis erfüllen, sagte Schröder am Donnerstagnachmittag in einer Fernsehansprache. Der Beginn des Krieges in der Nacht zum Donnerstag löste in Deutschland Bestürzung und scharfe Proteste aus. Bundesweit demonstrierten bis zum Nachmittag weit mehr als 100 000 Menschen gegen den Krieg. Überall wurden die Sicherheitsvorkehrungen massiv verstärkt.
Mit dem Kriegsbeginn flammte die Auseinandersetzung über die Frage wieder auf, ob der Krieg mit dem Völkerrecht vereinbar ist. Vor allem bei den Grünen bahnte sich ein Streit über die Überflugrechte für die USA und den Einsatz deutscher Soldaten in AWACS-Aufklärungsflugzeugen der NATO über der Türkei an.
«Es hätte einen anderen Weg zur Entwaffnung des Diktators gegeben, den Weg der Vereinten Nationen», sagte Schröder. Die Logik des Krieges habe sich gegen die Chancen des Friedens durchgesetzt. Tausende von Menschen würden darunter zu leiden haben. «Wir sind zu humanitärer Hilfe im Rahmen der Vereinten Nationen bereit.»
Außenminister Joschka Fischer (Grüne) sagte, mit dem Aufmarsch am Golf hätten die USA von vornherein einen Regimewechsel zum Ziel gehabt, nicht aber die von den UN geforderte friedliche Abrüstung des Irak. Am Abend sollten Schröder und Fischer mit ihren EU-Kollegen beim Gipfel in Brüssel zusammenkommen.
Im Bundestag zeigten sich alle Fraktionsvorsitzenden betroffen, dass die Bemühungen um eine friedliche Beilegung der Krise gescheitert sind. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte: «Wir hoffen gemeinsam, dass es nicht zum Einsatz von Massenvernichtungswaffen kommt und das verbrecherische Regime von Diktator Saddam Hussein schnell beendet werden kann.»
SPD-Fraktionschef Franz Müntefering sagte, mit der Militäraktion habe sich «das Recht des Stärkeren und nicht das Recht» durchgesetzt. Die CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende Angela Merkel betonte, Deutschland und Europa seien durch gemeinsame Werte mit den USA verbunden. «Deshalb stehen wir an ihrer Seite.» Unions-Fraktionsvize Wolfgang Schäuble verteidigte den Irak-Krieg. Gefahren für den Weltfrieden müssten beseitigt werden. Die FDP lehnte das Vorgehen der USA ohne einen ausdrücklichen UN-Beschluss ab.
Die Grünen-Chefs Angelika Beer und Reinhard Bütikofer äußerten starke Zweifel, ob der Irak-Krieg mit dem Völkerrecht vereinbar ist. Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele sprach von einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Jegliche Unterstützung sei damit verboten.
Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sagte, es habe jetzt «keinen Sinn, sich mit juristischen Debatten zu beschäftigen». Er stellte klar, dass die Regierung den USA weiterhin Überflugrechte gewähren wird. Müntefering sieht ebenso wie Grünen-Fraktionschefin Krista Sager kein Problem beim Einsatz deutscher Soldaten in AWACS- Aufklärungsflugzeugen. Sie dienten nur dem Schutz der Türkei und beteiligten sich nicht am Krieg. In einer namentlichen Abstimmung lehnten die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen im Bundestag einen Antrag der FDP ab, über den Einsatz abzustimmen. Die Union stimmte für den Antrag.
Allein in Berlin gingen bis zum Mittag bereits 50 000 Menschen auf die Straße. Zum zentralen Protest auf dem Alexanderplatz erwartete die Polizei am späten Nachmittag mindestens 100 000 Menschen. In Stuttgart waren es nach Angaben des Veranstalters «Jugend gegen den Krieg» rund 15 000. Weitere große Protestaktionen gab es unter anderem in Düsseldorf, Rostock, Kassel, Saarbrücken, Karlsruhe und Freiburg. Das «Netzwerk Friedenskooperative», ein Bündnis von Kriegsgegnern, hatte für den «Tag X» mehr als 350 Demonstrationen angekündigt. Die Kirchen riefen zu Friedensgebeten auf.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) teilte mit, den Behörden lägen zwar keine konkreten Hinweise auf geplante terroristische Aktivitäten vor. Dennoch habe sich die Gefahr mit Beginn des Kriegs verschärft, so dass erhöhte Wachsamkeit geboten sei. Dazu zählten strengere Kontrollen an den Grenzen, Flughäfen und Bahnhöfen. Berlin verstärkte Sicherheitsvorkehrungen an wichtigen politischen und diplomatischen Einrichtungen deutlich.
Zum Streit über deutsche Hilfeleistungen für die USA sagte Struck, es gebe unterschiedliche rechtliche Beurteilungen. Es bleibe aber dabei, was Deutschland den Amerikanern zugesichert habe. Dies wird von SPD und Union unterstützt. Bündnis-Verpflichtungen könnten nicht über dem Grundgesetz stehen, betonte dagegen Ströbele. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, sagte der dpa, der Krieg der USA sei «völkerrechtsfeindlich». «Ob er auch glasklar völkerrechtswidrig ist, kann die Bundesregierung aber nicht feststellen.»