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Ratzmann verzichtet auf Grünen-Bundesvorsitz

04.09.2008, 10:13

Berlin/dpa. - Der Berliner Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann gibt aus familiären Gründen das Rennen um den Bundesvorsitz seiner Partei auf. Er erwarte mit der Freiburger Bundestagsabgeordneten Kerstin Andreae (Grüne), ein Kind, sagte Ratzmann am Donnerstag in Berlin.

«Die Verantwortung für unser Kind können nur wir beide allein übernehmen, die Verantwortung für die Partei können auch andere übernehmen.» Seine Lebensgefährtin werde erneut für den Bundestag antreten. Die Verantwortung für das Kind, das im März zur Welt kommen soll, werde deshalb hauptsächlich er tragen.

Damit bleibt nur der Europaabgeordnete Cem Özdemir als Bewerber des Reformerflügels für die Doppelspitze der Grünen beim Parteitag im November übrig. Er werde Özdemir nun mit aller Kraft unterstützen, sagte Ratzmann. Er forderte auch seine Anhänger auf, dieses zu tun. Die Wiederwahl der Kandidatin der Parteilinken, Claudia Roth, gilt als sicher. Co-Parteichef Reinhard Bütikofer tritt nicht mehr an, sondern will 2009 ins Europaparlament wechseln.

Er freue sich sehr auf sein erstes Kind, unterstrich der 48-jährige Ratzmann. «Das wäre mit meinen Vorstellungen von der Arbeit eines Bundesvorsitzenden der Grünen nicht vereinbar gewesen.» Dieses Amt wäre «sehr zeitintensiv und mit vielen Reisen verbunden gewesen». Das Amt des Berliner Grünen-Fraktionschefs werde er dagegen behalten. «Das ist gut mit der Erziehung eines Kindes zu vereinbaren.» Seine jetzige Entscheidung bedeute auch nicht seinen endgültigen Abschied von bundespolitischen Ambitionen. «Nein, niemals, mir liegen die Grünen am Herzen, auch im Bund.»

Die Entscheidung, seine Bewerbung aufzugeben, sei ihm nicht leicht gefallen. «Ich kann jetzt aber mit gutem Gewissen sagen, da ist jemand, dem ich den Bundesvorsitz überlassen kann.» Der faire Wettkampf mit Özdemir, den er vorab über seine Entscheidung informierte, habe «ein Stück zur politischen Kultur der Grünen beigetragen», sagte Ratzmann. Beide hätten so die «Tür aufgestoßen, dass es leichter wird, um Spitzenämter zu konkurrieren». Parteikollegen hätten auf seine «überraschende Entscheidung» unisono so reagiert: «Politisches Bedauern und private Glückwünsche.»

Özdemir und Ratzmann hatten sich bislang in drei internen Runden der Partei vorgestellt. Einige Teilnehmer hatten Özdemir danach bescheinigt, bessere Karten zu haben, andere sprachen von zwei geeigneten Kandidaten. Ratzmann war von Fraktionschefin Renate Künast unterstützt worden, bevor auch Özdemir seinen Hut in den Ring geworfen hatte. Beim Wahlparteitag sollen auch Künast und Fraktionsvize Jürgen Trittin zu Spitzenkandidaten ihrer Partei für die Bundestagswahl 2009 gekürt werden.

In Ratzmanns politischem Umfeld wurde der Rückzug bedauert: «Es ist schade, dass die Partei jetzt keine Wahl mehr hat.» Andreae sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Das ist eine gemeinsam getragene Entscheidung, die mich sehr freut.» Die Alternative wäre gewesen, dass sie ihr Bundestagsmandat aufgibt.