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Quedlinburg im Ausnahmezustand Quedlinburg im Ausnahmezustand: 1.000 Polizisten sichern Konferenz der Innenminister

Von Jan Schumann 06.06.2018, 17:15
Ein Polizist geht mit Diensthund an Polizeifahrzeugen vorbei. In Quedlinburg kamen am Abend die Innenminister zu einem Abendessen zusammen.
Ein Polizist geht mit Diensthund an Polizeifahrzeugen vorbei. In Quedlinburg kamen am Abend die Innenminister zu einem Abendessen zusammen. dpa-Zentralbild

Quedlinburg - Es ist kurz vor 12 Uhr in Quedlinburg und der Eismann macht ein gutes Geschäft. Ein Mann mit Gitarre spult auf dem Marktplatz der Harzstadt Radiohits runter. Ist was?

Ja, etwas ist anders an diesem Mittwoch in der Welterbe-Stadt. Im Schatten des Rathauses raucht ein Polizist in schwarzer Uniform eine Zigarette, seine Kollegen sitzen im Einsatzwagen, tippen auf den Handys. 1.000 Polizisten und Sicherheitskräfte werden hier bis Freitag ihre Stellungen beziehen. Unter anderem aus diesem Grund: Auch die Russen sollen kommen.

Das ist natürlich nicht der Hauptgrund. Wenn die deutschen Innenminister für drei Tage im Harz zusammenkommen, um die drängendsten Probleme in Sicherheit und Migration zu besprechen, spielt der russische Propagandasender RT Deutsch nur am Rande eine Rolle. Doch dessen Journalisten sollen sich nun einmal auch für die Konferenz im Harz angemeldet haben, wird geraunt. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) hatte ja im Vorfeld angekündigt: „Wir machen hier auch ein wenig Weltpolitik.“

Innenministerkonferenz in Quedlinburg: Beratungen zu Flüchtlingspolitik

Als er das sagte - noch mitten in den Vorbereitungen - schaute der Mann aus der Börde freilich eher Richtung Indien oder Burkina Faso. Auf diese Staaten will Stahlknecht den Druck erhöhen, sie sollen zu einer besseren Kooperation mit der Bundesrepublik gezwungen werden und Abschiebungen nicht wie bisher unmöglich machen. Entwicklungshilfe, Visa-Genehmigungen? Darin sieht Stahlknecht Hebel, um sie gefügig zu machen.

Derlei Forderungen kann Stahlknecht freilich nur bei der Bundesregierung geltend machen, sie macht die Außenpolitik. Doch Bundes-Innenminister Horst Seehofer wird erst Donnerstag anreisen, wohl per Hubschrauber. Geht es nach den Innenministern der Länder, wird der Bayer streng befragt werden – die manipulierten Asylbescheide in Bremen sind zum Top-Thema der Konferenz geworden.

Ohnehin wird der Donnerstag wohl zum wichtigsten Tag dieser Konferenz: Am Nachmittag stehen die Kamingespräche zwischen den Ministern an. Dort, unter vier oder etwas mehr Augen, werden die eigentlichen Einigungen erzielt. Im besten Fall werden die Ergebnisse am Freitag nur noch abgenickt.

Sachsen-Anhalt ist 2018 Ausrichter der beiden Innenminister-Konferenzen

Eine Frau, im Vorfeld von vielen mit Spannung erwartet, wird gar nicht in den Harz kommen: Bamf-Präsidentin Jutta Cordt. Dabei wäre ihr Auftritt vor den Ministern hochinteressant geworden. Mittlerweile ist bekannt, dass die Superbehörde mehr als 50 Millionen Euro ausgegeben hat, um sich in den vergangenen Jahren von Unternehmensberatern fit machen zu lassen. Und nun die manipulierten Bescheide - eine offenbar kriminelle Serie in Bremen. Erste Bundestagsabgeordnete wollen ganz genau wissen, wofür das Geld geflossen ist.

Sicher ist, dass in diesen Tagen einiges in die Sicherheitsvorkehrungen in Quedlinburg fließt. 350.000 Euro stehen für die beiden Innenminister-Konferenzen bereit, die Sachsen-Anhalt dieses Jahr ausrichtet. Denn obwohl die Polizeipräsenz auf dem Marktplatz beinahe zurückhaltend wirkt, herrscht am Tagungshotel in einer Seitenstraße Ausnahmezustand. Die Zufahrten sind gesperrt, Mannschaftswagen der Polizei sind aufgereiht. Hunde beschnüffeln Rucksäcke, Kameras, TV-Wagen. Drohnen? „Holen wir runter“, heißt es von der Polizei zur Flugverbotszone.

Als einer der ersten steigt 16 Uhr Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) ab. Bei Unionspolitikern steht er unter ständigem Konfrontations-Verdacht. Und er legt gleich los, schreibt Seehofer beim Thema Ankerzentren ein paar Forderungen ins Stammbuch. „Er soll uns vorstellen, was er sich konkret vorstellt“, so Pistorius. „Bisher kennen wir das alles nur aus den Medien.“ Er halte es zwar für richtig, bürokratische Prozesse in derlei Einrichtungen zu beschleunigen. „Klar muss aber sein, dass wir niemanden einsperren.“ Es könne nicht sein, dass Geflüchtete 18 Monate oder länger einkaserniert würden. (mz)