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Proteste bei EZB-Eröffnung in Frankfurt Proteste bei EZB-Eröffnung in Frankfurt: Selbst die Linken distanzieren sich von EZB-Protesten

Von Holger Schmale 19.03.2015, 15:38

Berlin - Man kann sich auf verschiedene Weise mit der am Mittwoch bei den Protesten gegen die EZB in Frankfurt am Main explodierten Gewalt auseinandersetzen. Der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs wählte in der Bundestagdebatte zu den Ausschreitungen den rustikalen Weg: „Das waren irgendwelche irren Vollpfosten, die politisch nicht ernst zu nehmen sind“, sagte er. Solche Leute gehörten nicht auf die Straße, sondern vor Gericht. Möglicherweise traf er mit seiner Beschreibung die Motivlage reisender Krawalltouristen gar nicht schlecht.

Andere Redner verfolgten eine politischere Spur und nahmen dabei vor allem die Linke ins Visier, die zu den Unterstützern der Blockupy-Proteste gehörte. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verlangte von der Partei und ihren Abgeordneten eine unmissverständliche Distanzierung von den Angriffen auf Polizisten, Feuerwehrleute und Unbeteiligte und von der Verharmlosung von Gewalt „ohne jede Hintertür.“ Er sei von dem Ausmaß an Verrohung, das sich in Frankfurt gezeigt habe, tief erschüttert. Es habe sich nicht um spontane Wutausbrüche sondern um geplante, kühl kalkulierte Gewalt gehandelt. „Von politischer Auseinandersetzung kann nicht mehr die Rede sein.“ Dass Vertreter von Gewerkschaften und Linkspartei das Geschehen gerechtfertigt hätten, sei absolut inakzeptabel. So etwas könne sich der wehrhafte Rechtsstaat nicht gefallen lassen. „Wehret den Anfängen“, forderte der CDU-Politiker auch  mit Blick auf mögliche Proteste gegen den G7-Gipfel im bayerischen Elmau in diesem Sommer. „Verharmlost nicht Gewalt, macht nicht gemeinsame Sache mit Gewalttätern, bietet ihnen keinen Schutz.“

Das linke, banken- und kapitalismuskritische Bündnis Blockupy setzt sich aus mehr als 90 Organisationen zusammen. Darunter sind Attac, einige Gewerkschaften, die Partei „Die Linke“, Antifa-Gruppen sowie antirassistische Gruppen.

Ziel ist es nach eigenen Angaben, „Demokratie und Solidarität von unten aufzubauen“. Das Bündnis richtet sich auch gegen die Krisenpolitik der „Institutionen“ (früher Troika) aus Währungsfonds, Europäischer Kommission und Europäischer Zentralbank. (dpa)

„Unsere Anteilnahme gilt allen Verletzten.“

Die Linkspartei-Vorsitzende Katja Kipping distanzierte sich von den Ausschreitungen. Jeder Verletzte, ob auf Seiten der Protestierenden oder der Polizisten, sei ein Verletzter zu viel. „Unsere Anteilnahme gilt allen Verletzten.“ Für die Aktionen einer „kleinen Gruppe gewaltbereiter Trittbrettfahrer“ fehle ihr jedes Verständnis. Die Blockierer hätten „mit Mitteln des zivilen Widerstandes, also gewaltfrei“, die EZB-Feier stören wollen. Für diesen Protest gebe es gute inhaltliche Gründe, sagte Kipping. Denn die EZB sei Teil einer schädlichen Politik, die zur Verarmung von Millionen Menschen im Süden Europas geführt habe.

Irene Michalic von den Grünen warf den Gewalttätern vor, sie hätten dem richtigen Anliegen der tausenden friedlichen Demonstranten einen Bärendienst erwiesen. Der Protest gegen die verheerende Sparpolitik in Europa sei völlig untergegangen, „das tut mir in der Seele weh“. Sie forderte die Organisatoren von Blockupy auf, gewaltbereite Gruppen künftig nicht mehr in ihrem Bündnis zu akzeptieren. Das staatliche Gewaltmonopol sei eine wichtige Errungenschaft des demokratischen Rechtsstaates und dürfe nicht unterlaufen werden.

Eine scharfe Kontroverse löste die Linken-Abgeordnete Heike Hänsel aus, die ihre Kritik an einem  Doppelstandard der Berichterstattung über Gewalt auf dem Kiewer Maidan-Platz im vergangenen Jahr und jetzt in Frankfurt ausdrücklich bekräftigte. Das mache ihn fassungslos, sagte de Maizière.

Blockupy distanziert sich nicht eindeutig

Die Organisatoren des linken Blockupy-Bündnisses wollten sich nicht eindeutig von den Ausschreitungen abgrenzen. „Wir distanzieren uns nicht pauschal“, sagte Blockupy-Sprecher Frederic Wester auf einer Pressekonferenz in Frankfurt. Einige der Aktionen seien nicht geplant und nicht gewollt gewesen. Mitorganisatorin Hannah Eberle wertete die Proteste insgesamt als Erfolg: „Wir blicken auf einen erfolgreichen politischen Tag zurück.“ Sie freue sich, „dass der Widerstand endlich den Weg nach Frankfurt gefunden hat“. Auch Eberle hob hervor, dass manche Aktionen außerhalb des zuvor vereinbarten Konsens gewesen seien. Die Blockupy-Sprecher hoben zudem die friedlich verlaufene Demonstration mit mehreren tausend Menschen hin. „Wir begreifen das als Ermutigung, weiter zu machen“, sagte Wester. Das Bündnis könne aber keine Garantie dafür geben, beim nächsten Mal alles im Griff zu haben.