Projekt Gorleben Projekt Gorleben: Wie lukrativ der Atommüll war und ist

Gorleben/dpa. - Das Projekt Gorleben sollte nicht nur Atommüll, sondern auch Geld ins Wendland bringen. Regelmäßig eilten zwar zehntausende Kernkraftgegner herbei, wenn die Castor-Transporte mit ihrer strahlenden Fracht Richtung Zwischenlager rollten, nicht weit von dem Bergwerk, das als Endlager für die gefährlichen Reste erkundet wurde. Aber der laute Protest und die Versuche, Gorleben als Option für tot zu erklären, lassen leicht vergessen, dass es von Anfang an hier auch Endlager-Befürworter gab - und immer noch gibt.
„Niemand hat damals die Anlagen in Gorleben gewollt, weil er Atomfetischist gewesen wäre - uns ging es um das Wohl der Region“, sagt etwa Friedrich-Wilhelm Schröder (CDU), Samtgemeindebürgermeister von Gartow. Viele Lokalpolitiker hatten in den 1970er Jahren für das Projekt gestimmt, neue Jobs und sprudelnde Steuereinnahmen winkten dem strukturschwachen „Zonenrandgebiet“ an der DDR-Grenze.
Nukleares Entsorgungszentrum ursprünglich geplant
Zunächst war gar ein Nukleares Entsorgungszentrum mit bis zu 4000 Arbeitsplätzen geplant, Investitionen von zehn Milliarden Mark schienen in Sicht. „Die wirtschaftlich schwache Region hätte aufblühen können“, sagt Schröder. Doch angesichts massenhafter Proteste zog die niedersächsische Landesregierung 1979 den Stecker: „Politisch nicht durchsetzbar.“ Aber auch so flossen gewaltige Summen in die Region, die mit der Wiedervereinigung Zonenrandförderung und Bundesgrenzschutzsoldaten verloren hat.
„In der Zeit von 1977 bis 2010 sind für das Projekt Gorleben Kosten in Höhe von 1559 Millionen Euro angefallen“, heißt es beim Bundesumweltministerium in Berlin. „Auf die öffentliche Hand als Abfallverursacher entfielen 142 Millionen Euro; dies entspricht einem Anteil von 9,1 Prozent.“ Während des Erkundungsmoratoriums von 2000 bis 2010 flossen für den sogenannten Offenhaltungsbetrieb dabei jedes Jahr im Schnitt 20,8 Millionen, gezahlt von den Energieversorgern.
In den Haushaltsjahren 2011 und 2012 seien 44,8 bzw. 54,1 Millionen Euro geleistet worden, sagt eine Sprecherin. „Zukünftige Kosten hängen von der Ausgestaltung und Umsetzung des Standortauswahlgesetzes ab.“ Manche rechnen mit 30 Millionen, die während des aktuellen Erkundungsstopps jedes Jahr weiter fließen dürften - ein politischer Preis, heißt es hinter vorgehaltener Hand.
Gorleben-Gelder
Mehr als 1,6 Milliarden also, doch das ist nicht alles. Hinzu kamen etwa Kosten für Baugenehmigungen, allein für das Zwischenlager rund 5 Millionen D-Mark (2,5 Mio. Euro). Und dann noch ein richtig dicker Brocken, die sogenannten Gorleben-Gelder: Das Land, der Landkreis und die betroffenen Kommunen rund um Gorleben bekamen noch zusätzlich Geld, bis die politischen Mehrheiten wechselten. „Kompensationszahlungen an das Land Niedersachsen betrugen zwischen 1979 und 1992 insgesamt 410 Millionen DM (210 Mio. Euro). Von diesen wurden dem Landkreis Lüchow-Dannenberg circa 86 Millionen DM (44 Mio. Euro) zur Verfügung gestellt“, bestätigt das Ministerium.
Das Kreiskrankenhaus wurde erweitert, Sportanlagen kamen. Viele der Ausgaben hatten wenig mit Gorleben zu tun - Kritiker erinnern da gern an die Wendlandtherme, ein großzügig dimensioniertes Erlebnisbad in Gartow. „Von einer Zweckbindung nach der Bundeshaushaltsordnung kann in den Verträgen zwischen Bund und Land keine Rede sein“, moniert etwa Karl-Friedrich Kassel. Der Journalist aus dem Wendland hat sich lange mit dem Verbleib der Gelder beschäftigt. Trickreich sei verhindert worden, dass die Gelder angerechnet wurden, etwa um Defizite auszugleichen. Atomkraftgegner nennen das Schmiergeld.
Noch heute fließen Mittel der Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS), die sich im Auftrag der Stromkonzerne um die Entsorgungsfragen kümmern soll. So bekommt der Landkreis laut GNS noch immer 210 000 Euro im Jahr, die Gemeinde Gorleben rund 600 000 und die Samtgemeinde Gartow sogar mehr als 800 000 Euro. „Strukturhilfemittel für die Ansiedlung des Zwischenlagers und der benachbarten Pilotkonditionierungsanlage“, wie Bürgermeister Schröder sagt.
Keine Castor-Transporte mehr
Jetzt sollen auf absehbare Zeit keine Castor-Transporte mehr Richtung Gorleben rollen, haben sie in Berlin beschlossen. „Für unsere Region sind der Neustart bei der Endlagersuche und der damit verbundene erneute Erkundungsstopp ein Verlust von Arbeitskräften und Kaufkraft“, erklärt Schröder. Auch wenn der erhoffte Boom etwa in Gastronomie und Handwerk ausgeblieben ist: „Es geht noch immer um 150 Arbeitsplätze von einst 240 allein auf dem Bergwerksgelände“, ergänzt der Betriebsratsvorsitzende des Gorleben-Betreibers DBE, Peter Ward.
„Wir haben nichts gegen eine vergleichende Suche an anderen Standorten“, sagt Schröder. Das Know-how in Gorleben müsse aber erhalten bleiben. „Wir fordern die Einrichtung eines Forschungslabors, doch die Umweltministerien von Bund und Land haben das abgelehnt.“ Viel ist nicht geblieben vom großen Entsorgungszentrum im Wendland. Mal schauen, wie es weitergeht.