Probleme bei der Bundeswehr Probleme bei der Bundeswehr: Auf der Suche nach Soldaten

Kiel/Halle (Saale) - Die Bundeswehr hat sogar schon eine 53-jährige Krankenschwester mit Zehnjahresvertrag eingestellt. Das haben zivile Besucher im Marinestützpunkt Kiel gehört. Und, dass die Bundeswehr - abgesehen von Sanitätsdienst - auf breiter Front das bisherige Höchstalter für Einstellungen abgeschafft oder zumindest weit nach oben korrigiert hat. Ein Indiz für Personalmangel? Nein, heißt es dazu von offizieller Stelle. Von einer guten quantitativen Personalabdeckung ist die Rede, aber auch davon, dass weiterhin Handlungsbedarf besteht. „Die wirklichen Herausforderungen liegen vor uns“, sagt Sebastian Wanninger vom Presse- und Informationszentrum Personal der Bundeswehr.
IT-Fachleute sind Mangelware
Dennoch, der aktuelle Mangel an qualifiziertem Personal im Sanitätsdienst ist unabhängig davon unbestritten. Mit Blick in die Zukunft steht die Truppe aber vor einem neuen, wahrscheinlich größeren Problem. Sie braucht IT-Spezialisten - künftig deutlich mehr als noch heute. In Teilen der Bundeswehr ist eine Art Mangel-Wende abzusehen. „Uns fehlen im Moment Mannschaftsdienstgrade“, sagt Kapitänleutnant Klaus-Uwe Haber. Der Leiter des Zentrums für Truppenwerbung der Marine erklärt das an einem Beispiel. Eine Fregatte brauche etwa 80 Mannschaften, sprich Matrosendienstgrade. So viele habe man aber nicht, sagt er.
Auf den neuen Korvetten, die gerade im Auslandseinsatz an vielen Stellen die besagten Fregatten ablösen, fahren hingegen kaum noch Mannschaften. Problem also gelöst? Von wegen, die moderneren Schiffe benötigen laut Haber deutlich mehr Elektroniker, also in der Regel hoch qualifizierte Unteroffiziere und Meister. Aber IT-Spezialisten werden auch außerhalb der Bundeswehr zunehmend umworben. Das gilt für andere Spezialisten ebenso.
Dieser Wettbewerb zwingt zu neuen Überlegungen. Davon profitieren zum Beispiel die Mannschaftsdienstgrade. Sie können unter bestimmten Voraussetzungen die fachliche Ausbildung eines Unteroffiziers bekommen, ohne die bisher damit verbundene militärische Ausbildung absolvieren zu müssen. Sie haben also am Ende eine höhere Qualifikation, aber nicht zwangsläufig mehr Verantwortung. Diese Möglichkeit ist nicht nur neu in der Bundeswehr, sondern eine ziemliche Zäsur. Mannschaften erobern fachliches Terrain ihrer Vorgesetzten.
Mit welchen unkonventionellen Methoden junge Leute angesprochen werden, lesen Sie auf Seite 2.
Die Truppe rührt natürlich auch außerhalb ihrer Standorte die Werbetrommel in eigener Sache. Dabei geht es nicht um Krankenschwestern im reiferen Alter, sondern um junge Leute. Die werden mit teilweise unkonventionellen Methoden angesprochen. Schnuppertage bei der Marine? Kein Problem! Junge Männer und Frauen im Alter zwischen 16 und 23 Jahren dürfen sich gerne nach Kiel einladen lassen. Dort verbringen sie drei Tage kaserniert. Sie bekommen einen Einblick in den Alltag des Soldaten und fahren sogar mit Booten für mehrere Stunden zur See.
Minijagd-Boote für Besucher
Das Besucherzentrum kann auf zwei Minenjagd-Boote zurückgreifen, die nur für diese Besucher zur Verfügung stehen. An Bord dürfen die Gäste der Besatzung über die Schulter schauen, Manöver verfolgen und in so ziemlich alle Ecken und Winkel kriechen. Das ist gewissermaßen Abenteuer-Werbung. „Wir können jede Woche bis zu 120 junge Leute bei uns betreuen“, sagt Kapitänleutnant Haber. Ihnen wird im Stützpunkt schon ein kleiner Eindruck vom Soldatenalltag vermittelt. Die zivile Truppe marschiert zum Beispiel in Reih und Glied zu ihren Terminen und geweckt wird schon mal um 4.45 Uhr.
Die Bundeswehr trägt übrigens sämtliche Kosten für diese Schnupper-Tage bei der Marine. Die anderen Truppenteile sind längst aufmerksam geworden. Dass auch Heer und Luftwaffe früher oder später ähnliche Truppenbesuchszentren etablieren, wird zwar hier und da gemunkelt. Offiziell heißt es aber, dass es zurzeit keine derartigen Pläne gibt.
Ob sich solche Schnuppertage für die Bundeswehr überhaupt auszahlen, lässt sich nicht mit Zahlen belegen. Es gibt schlicht keine Statistik, die erfasst, welcher Zeit- oder Berufssoldat das Angebot genutzt hat. Warum sich die Marine dennoch den Luxus leistet, erklärt Haber. Ihr fehlten Leute, hauptsächlich Mannschaftsdienstgrade. „Südlich von Hannover findet die Marine nicht statt“, sagt er. Und weil nördlich davon die Rekrutierung nicht ausreiche, müssten eben bundesweit mögliche Interessenten umworben werden.
Uniformen attraktiv für Jugend
Die Geschichte von der Krankenschwester, die mit 53 Jahren bei der Bundeswehr gelandet ist, haben übrigens Vertreter der Arbeitsagentur aus Sachsen und Sachsen-Anhalt aufgeschnappt. Die Berufsberater informierten sich vor Ort über Karrieremöglichkeiten bei der Bundeswehr. Aus gutem Grund, sie liegt laut Schülerbarometer 2014 bei den Jungen und Mädchen der Klassen acht bis 13 auf Platz zwei der beliebtesten Arbeitgeber. „10,3 Prozent der Jungen und Mädchen streben aktuell eine Karriere bei den deutschen Streitkräften an“, sagt Wanninger.
Klingt gut, darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass unter dem Strich Personal fehlt. Während im Vorjahr bei den Offizieren keine Stelle frei blieb, ist der Bedarf an 16 000 Zeitsoldaten auf den anderen Ebenen laut Verteidigungsministerium zu 88 Prozent gedeckt worden. Dahinter steckt ein erheblicher Aufwand. Für die Nachwuchsgewinnung sind 2013 nach Auskunft eines Sprechers rund 30 Millionen Euro aus dem Verteidigungshaushalt geflossen. (mz)
Truppenbesuchszentrum der Marine, Wismarer Straße 7, Tirpitzhafen, 24106 Kiel, Tel.: 0431/384 24 61 oder 384 24 53, Fax: 0431/384 24 63, Mail: [email protected], im Internet unter www.marine.de