Pressekonferenz in Dresden Pressekonferenz in Dresden: Pegida spricht mit der "Lügenpresse"

Dresden - Noch vor einer Woche waren Bundeskanzlerin Merkel und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich Handlanger einer „Asylindustrie“ und Herrschende ohne Verbindung zum deutschen Volk. Regierende, die nur an sich und ihre Vorteile denken und deren Zeit gnadenlos abläuft. Journalisten waren „Lügenpresse“ und Teil eines großen gegen das Volk gerichteten Kartells, „Volksverräter“ also. Das bekam jeder zu hören, der einmal bei einer der mittlerweile zwölf Montags-Kundgebungen der Dresdner Pegida-Bewegung dabei war. Pegida war das wahre Volk, forderte und schimpfte, redete aber nicht mit Politikern und schon gar nicht mit Medien.
Seit Montag ist die Welt eine andere: „Liebe Medienvertreter“, beginnt Kathrin Oertel am Vormittag die erste Pressekonferenz der Pegida-Bewegung in Dresden im Haus der Landeszentrale für politische Bildung und bittet erst einmal um Verständnis für ihre Lage, sie sei erkältet und im Stress. Am Abend zuvor saß sie in Berlin in der Talkshow bei Günther Jauch.
„Wir wünschen einen anderen Umgang miteinander“
Dann die neuen Töne: „Wir wollen den Dialog“, sagt die Pegida-Sprecherin. „Wir wünschen einen anderen Umgang miteinander.“ An ihrer Seite Lutz Bachmann, der Pegida-Gründer. Seit dem Wochenende, der Terrordrohung gegen Pegida und Morddrohung gegen ihn, genießt er rund um die Uhr Polizeischutz. Über hundert Journalisten sind in die alte Villa am Dresdner Stadtrand gekommen, 16 Fernsehteams übertragen das Spektakel um den ganzen Globus.
Bislang wollte Pegida mit seinen mächtigen Kundgebungen in Dresden den etablierten Politikern kräftig auf die Füße treten. Im Oktober hatte Bachmann die „Patriotischen Europäer“ gegründet und zur ersten Versammlung aufgerufen. Neun Wochen später sah sich Kanzlerin Merkel schon genötigt, in ihrer Neujahrsrede vor der Teilnahme an Pegida-Märschen zu warnen. Doch es kamen immer mehr. Montag vor einer Woche waren es 25.000, vielleicht sogar noch mehr Menschen, nicht nur aus Dresden und dem Umland. Reisebusse aus ganz Deutschland brachten Sympathisanten in die sächsische Landeshauptstadt.
„Wir wollen keine Revolution“
Nun hat die ganze Sache offensichtlich Ausmaße angenommen, welche die Führungsleute um Bachmann und Oertel zu überfordern und stressen scheinen. Nun treten sie auf die Bremse. „Wir haben nicht vor, jeden Montag durch Dresden zu ziehen“, sagt Bachmann. „Unser Privatleben kommt zu kurz.“ Er möchte auch einmal wieder auf der Couch sitzen und in Familie machen, sagt er. „Wir wollen keine Revolution“, sagt Oertel. „Wir wollen ein anderes Verhältnis von Politik und Volk.“
Die Kundgebung für diesen Montag war von Pegida am Sonntag abgeblasen worden, weil es konkrete Hinweise der Polizei gegeben hatte, es könnte eine Anschlag in Dresden auf Bachmann geben. Die Polizei verbot daraufhin alle Kundgebungen in Dresden, auch geplante Gegenveranstaltungen.
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Wie es insgesamt mit Pegida weitergehen soll, ließen Oertel und Bachmann offen. Natürlich wolle man sich nicht das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit nehmen lassen. Natürlich wolle man sich nicht mundtot machen lassen, natürlich wolle man weiterhin Kundgebungen. Natürlich auch am kommenden Montag.
Aber ob es so kommen wird, hängt nun auch von der Sicherheitslage und der Einschätzung der Polizei ab. Andererseits hat Pegida offensichtlich auch selbst genug vom Demonstrieren: „Wir können uns ja auch nicht totlaufen auf der Straße“, sagt Bachmann.
Nun also Gespräche. Man habe Kontakt zu Politikern aufgenommen, erzählt Oertel, zu welchen, will sie allerdings nicht verraten. In den nächsten Wochen würde es erste Treffen geben.
Die Politik soll es richten
Jetzt soll es die Politik richten. „Politik und Volk müssen wieder eine Einheit werden“, formuliert es Oertel. Als sie gefragt wird, wie sich Pegida denn beispielsweise konkret das Einwanderungsgesetz nach kanadischem Muster vorstelle, dass man seit Wochen für Deutschland fordere, wen man denn eigentlich im Land haben wolle, wen nicht, sagt sie: „Wir sind keine Politiker. Eine konkrete Ausarbeitung kriegen sie nicht von uns. Das ist Aufgabe der Politik.“ Auch Bachmann sieht es so: „Uns wäre es lieber, wenn die von uns gewählten Volksvertreter einfach ihre Arbeit machen“, sagt er.
Die Fraktionsvorsitzende der AfD im Dresdner Landtag, Frauke Petry, meinte am Montag, die Pegida-Organisatoren sollten die Demonstrations-Zwangspause zum Nachdenken zu nutzen. Die Bewegung müsse sich darüber klar werden, welche Ziele sie eigentlich habe, sagte Petry. Eine Möglichkeit sei mehr Bürgerbeteiligung, Pegida könne doch zum Beispiel Bürgerbegehren anstrengen, schlug sie vor.
„Nicht-Kommunikation wird schiefgehen.“
Frank Richter, der Leiter der Landeszentrale, musste gleich zweimal an diesem Montag erklären, dass er Pegida zwar die Räume für die Pressekonferenz gegeben habe, aber nicht deren politische Inhalte teile. Am Donnerstag habe Pegida angefragt und er habe zugesagt. Auch Richter saß am Abend zuvor bei Günther Jauch, auch er wirkt müde und abgekämpft. Dann sagt er, was er seit Wochen sagt. Es ist sein kleines Credo in diesen schwierigen Tagen in Dresden: „Kommunikation kann schiefgehen.“ Kurze Pause. „Nicht-Kommunikation wird schiefgehen.“