Politische Wende in Polen
Warschau/Brüssel/Berlin/dpa. - Die Aussicht auf einen Machtwechsel im Nachbarland Polen hat in Deutschland die Hoffnung auf eine spürbare Verbesserung der unterkühlten Beziehungen gestärkt.
Erfreut zeigten sich auch die EU und Russland über die Entscheidung der Polen für eine politische Wende. Nach ihrem Wahlsieg über die Nationalkonservativen von Regierungschef Jaroslaw Kaczynski kündigte die liberale Opposition unter Führung des Historikers Donald Tusk am Montag eine zügige Regierungsbildung an.
Die Bürgerplattform (PO) von Tusk werde am 10. November auf einem Parteitag über eine etwaige Regierungskoalition entscheiden, sagte Fraktionschef Bogdan Zdrojewski. Die Liberalen errangen nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen 41,4 Prozent oder 209 der 460 Sitze und sind damit stärkste Kraft im Parlament. Die bisher regierende nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Kaczynski erhielt 32,2 Prozent oder 166 Sitze.
Ohne direkt auf das schwierige Verhältnis zwischen seiner Behörde und der bisherigen polnischen Regierung einzugehen, gratulierte EU- Kommissionspräsident José Manuel Barroso Wahlsieger Donald Tusk und erklärte. «Ich bin sicher, dass es mit der nächsten polnischen Regierung eine fruchtbare Zusammenarbeit geben wird.»
Die Bundesregierung habe ein «enormes Interesse an guten und engen nachbarschaftlichen Beziehungen zu Polen» und hoffe auf eine rasche Regierungsbildung, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg. «Die Wählerinnen und Wähler Polens haben Ihnen einen klaren Auftrag zur Regierungsbildung und damit für einen politischen Wechsel gegeben», schrieb Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) an Tusk.
PO-Parteichef Tusk vermied eine Koalitionsaussage. «Wir werden sehen», sagte er auf Fragen, ob er Regierungschef werde. Vize-Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski sagte, die Liberalen erwarteten, dass Staatspräsident Lech Kaczynski Tusk mit der Regierungsbildung beauftrage. Der Präsident ist der Zwillingsbruder von Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski. Präsident Kaczynski hatte bereits vor der Wahl angekündigt, er werde im Fall eines Wahlsiegs der Opposition seine in der Verfassung festgelegten Möglichkeiten voll ausschöpfen. Er kann etwa Gesetze mit seinem Veto blockieren.
Ebenfalls ins Parlament gewählt wurden das Mitte Links-Bündnis LiD mit 13,2 Prozent oder 53 Mandaten sowie die gemäßigte Bauernpartei PSL mit 8,9 Prozent oder 31 Abgeordneten. Tusk hatte sich vor der Wahl zwar alle Koalitionsmöglichkeiten offengehalten, die PSL aber als natürlichen Partner bezeichnet. Der PSL-Vorsitzende Waldemar Pawlak sagte, die Initiative zur Regierungsbildung falle der PO zu.
Auch Russland rechnet nach dem Sieg der Bürgerplattform mit einer deutlichen Besserung der bisher angespannten Beziehungen zu seinem Nachbarn. Der Regierungswechsel sei ein «positives Signal» für Russland, sagte der Vizechef des Auswärtigen Ausschusses im Föderationsrat, Wassili Lichatschjow. Streit gab es über ein Importverbot für polnisches Fleisch und die geplante Stationierung eines US-Raketenabwehrsystems in Polen.
Die Lösung des Fleischstreits gilt als Voraussetzung dafür, dass Russland und die EU über ein neues Partnerschaftsabkommen verhandeln. Das bestehende Abkommen läuft in diesem Jahr aus. Warschau hatte neue Verhandlungen bislang durch ein Veto verhindert.
Das Parlament hatte im September nach einer wochenlangen innenpolititischen Krise seine Selbstauflösung beschlossen und damit den Weg für die vorgezogene Wahl am Sonntag freigemacht. Die Wahlbeteiligung von 53,8 Prozent war die höchste seit dem Ende des Kommunismus 1989. Vor zwei Jahren hatten lediglich 40 Prozent der Wähler ihre Stimme abgegeben.