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Polen Polen: Letzte Ruhe nach 64 Jahren

Von Aliki Nassoufis 15.08.2009, 10:20
Deutsche Kriegsopfer werden sie aufInitiative des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge in einerökumenischen Trauerfeier im polnischen Neumark (Stare Czarnowo) naheStettin (Szczecin) beigesetzt. (FOTO: DPA)
Deutsche Kriegsopfer werden sie aufInitiative des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge in einerökumenischen Trauerfeier im polnischen Neumark (Stare Czarnowo) naheStettin (Szczecin) beigesetzt. (FOTO: DPA) PAP

Neumark/dpa. - Die vier langen Sargreihen verraten abernoch nicht einmal die enorme Anzahl der Toten: Immerhin schützensie die Gebeine von mehr als 2100 deutschen Kriegsopfern, die amFreitag - über 64 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges - in Polenihre letzte Ruhe fanden. Sie waren im Winter bei Bauarbeiten in einemMassengrab in Marienburg entdeckt worden. Nun wurden sie aufInitiative des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge in einerökumenischen Trauerfeier im polnischen Neumark (Stare Czarnowo) naheStettin (Szczecin) beigesetzt.

«Der Fund dieser vielen Leichen hat bei zahlreichen ehemaligenMarienburgern alte Wunden aufgerissen», erzählt Bodo Rückert, der vor72 Jahren in Marienburg geboren wurde, in den Wirren von 1945 abermit seiner Familie nach Westen fliehen musste. «So ein Ereignis lässtdas lang zurückliegende Kriegsgeschehen wieder aufleben.»

Doch nicht nur bei ehemaligen Marienburgern ist der Fund von mehrals 2100 Leichen ein sensibles Thema. In Polen und Deutschland hattendie Entdeckung und die wochenlangen Bergungsarbeiten für Aufregunggesorgt. Schließlich erinnert alles an das Schicksal deutscherFlüchtlinge bei Kriegsende.

Auch politisch sorgte der Fund für Zündstoff. Erst vor wenigenTagen griff die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, ErikaSteinbach, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) an. Er sollezu der Trauerfeier in Neumark nicht nur den deutschen Botschafter inPolen, Michael Gerdts, schicken, sondern selbst den Toten die letzteEhre erweisen.

Dabei ist unklar, wer die Toten genau sind. Historiker vermutennach bisherigen Erkenntnissen zwar, dass es sich um ehemaligedeutsche Einwohner Marienburgs handelt, die 1945 umgekommen waren.Die Leichen wurden aber ohne Schuhe, Kleidungsreste oder persönlicheGegenstände gefunden. Bei einigen von ihnen konnte weder dasGeschlecht noch das Alter festgestellt werden.

Hinweise auf die Art ihres Todes sind da noch schwieriger.Möglicherweise starben die Männer, Frauen und Kinder an einerTyphusepidemie oder durch Hunger und Kälte während des eisigenWinters. Vielleicht wurden sie aber auch bei den heftigen Schlachtenum die Stadt Marienburg getötet.

Denn als die Rote Armee 1945 in Richtung Marienburg vorrückte,wurden die Einwohner aufgefordert, die Stadt zu verlassen. Vielewurden aber vom allgemeinen Chaos daran gehindert und waren nach derFlucht der letzten deutschen Soldaten auf sich gestellt. Zeugen fürdas Schicksal der in Marienburg entdeckten Leichen gibt es nicht. Aneinigen Schädeln wurden jedoch Einschusslöcher gefunden. Das heiztdie Spekulationen nun an.

Auch Bodo Rückert ist mit den bisherigen Ermittlungsergebnissennicht zufrieden. Immerhin könnten unter den Toten auch die Gebeineehemaliger Bekannter aus Marienburg sein. Der Stadt, die er eigenerAussage nach noch immer als seine Heimat im Herzen trägt. Deswegenwar er zu Jahresbeginn auch zu der Ausgrabungsstelle gereist, um dasMassengrab mit eigenen Augen zu sehen. «Es war schrecklich», erinnerter sich.

Dennoch ist der 72-Jährige froh, heute aus Köln zu der Trauerfeierangereist zu sein. «Es ist zumindest gut und wichtig, dass die Totennach so langer Zeit endlich eine würdevolle Ruhestätte bekommen.»