1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Podolski bläst der Sturm ins Gesicht

Podolski bläst der Sturm ins Gesicht

Von FRANK NÄGELE 06.09.2010, 20:32

KÖLN/MZ. - Der Gürzenich ist ein Haus mit bewegter Geschichte. Hier hat Karl Marx am 6. Mai 1849 das kommunistische Manifest verkündet. Hier findet jedes Jahr die große, vom WDR übertragene, Karnevalssitzung statt. Hier darf Lukas Podolski immer auftreten, wenn ein Fußball-Länderspiel in Köln stattfindet. Im Gürzenich hat Podolski noch nie schlechte Laune gehabt. Das Festhaus der Stadt war für den populärsten Kölner stets ein Zufluchtsort vor allen negativen Einflüssen. Aber am Tag vor dem Spiel gegen Aserbaidschan hat das Refugium seine Zauberkraft eingebüßt. Lukas Podolski wurde mit der Tatsache konfrontiert, dass er nicht mehr unantastbar ist in der Fußball-Nationalmannschaft. Und das tat ihm offensichtlich weh.

"Natürlich weiß ich, dass es gegen Belgien nicht optimal lief", sagte der Stürmer, der beim 1:0-Sieg am Freitag in Brüssel in der 70. Minute ausgewechselt wurde, "aber ich weiß auch: Wenn ich meine normale Form habe, wird es für jeden schwer, an mir vorbei zu kommen." Und dabei schaute er etwa so entspannt wie ein Autofahrer, der von einer Polizeikontrolle aufgefordert wird, seine Papiere zu zeigen. Lukas Podolski fühlt, dass die Zeiten fröhlicher Konkurrenzlosigkeit in der Nationalelf für ihn vorbei sind.

Kampfansage von Kroos

Toni Kroos vom FC Bayern München hat zuletzt deutlich gesagt und auch gezeigt, dass er dem deutschen Spiel auf der linken Seite gut tun kann. "Konkurrent ist jeder Spieler, der da spielt, wo ich spielen kann, es ist kein Geheimnis, dass ich links spielen kann", erklärte der 20-jährige der Fachzeitschrift Kicker. "Er ist ein Fußballer, der mir besonders gefällt", lobte auch Joachim Löw ausdrücklich, "er ist sehr reif für sein Alter und spielt bei seinen Einsätzen, als wäre er immer schon dabei." Der Bundestrainer scheute sich auch nicht, für das zweite EM-Qualifikationsspiel weitere Alternativen zu benennen. "Gegen eine Mannschaft wie Aserbaidschan, die das Verteidigen gewohnt ist, kann auch Marko Marin ein Thema sein, er kann den Gegner mit seiner Art, zu spielen, vor Probleme stellen."

Podolski hat das ausdrückliche Lob für seine Konkurrenten aus dem Mund des Bundestrainers gehört, als er hinter dem Podium auf seinen eigenen Auftritt wartete. Überrascht wird ihn die neue Strenge seines Lehrers nicht mehr haben. Joachim Löw hatte dem Kölner schon am Morgen in einer Video-Sitzung gezeigt, was alles nicht so gut war in dessen 80. Länderspiel. "In der Defensive hat es Lukas ordentlich gemacht, nach vorne hat in der zweiten Halbzeit etwas gefehlt." Und dann definierte Löw noch einmal exakt, was Podolski tun muss, damit er, der Bundestrainer, zufrieden ist: "Immer dann, wenn Lukas mit seiner Dynamik ohne Ball weite Wege geht und mit vollem Einsatz den Abschluss sucht, ist er überragend."

Da kommt dann doch wieder die Liebe zu einem gemochten Schüler durch, der trotz mittlerweile vier problematischer Jahre beim FC Bayern und beim 1. FC Köln ein Stützpfeiler der Nationalmannschaft geworden ist. Allerdings wird Löw, der das Leistungsprinzip wie im Fall Michael Ballack selbst auf seinen prominentesten Spieler anwendet, immer öfter gefragt, wie der Spezialfall Podolski in diesen Kontext passt. Deshalb reagiert der Spieler im Kreis der Nationalmannschaft auf Fragen zum 1. FC Köln immer eher ausweichend.

Gestern gab Podolski zu diesem Thema widersprüchliche Aussagen. "Beim FC lief es ja nicht so schlecht, auch wenn wir verloren haben. Ich habe auch ein Tor gemacht", war die erste Antwort. Aber die zweite, ein paar Minuten später, lautete: "Natürlich ist es nicht so gut fürs Selbstbewusstsein, wenn es im Verein nicht so gut läuft."

Löw glaubt an mehr Elan

In solch einem Moment kommt ein Länderspiel gegen Aserbaidschan im Kölner Stadion wie gerufen. Bei allem Respekt für die Fortschritte des Fußball-Entwicklungslandes ist sich der Bundestrainer seiner Sache ganz sicher: "Wir wollen sechs Punkte aus den ersten beiden EM-Qualifikationsspielen. Wir nehmen Aserbaidschan ernst, aber ich habe keinen Zweifel daran, dass wir dieses Spiel gewinnen." Für Lukas Podolski gibt Joachim Löw ebenfalls eine erfreuliche Prognose ab: "Ich bin überzeugt, dass er ein hervorragendes Spiel machen wird. Er wird im läuferischen Bereich ein anderes Engagement an den Tag legen." Ob das dann an der geliebten heimischen Umgebung liegt oder dem neuen Konkurrenzdruck, verriet Löw nicht. Es ist ihm wohl egal.

Die ARD überträgt heute ab 20.45 Uhr das EM-Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan.

Das Spiel im Live-Ticker unter:

www.mz-web.de/ticker