Peter Struck Peter Struck: Ein weicher Kern im Zementmantel
BERLIN/MZ. - Die Luftwaffe stellt ein Drittel der Besatzungen. Die Bundeswehr im Kosovo, in Mazedonien, im Sudan - Struck hat viele solcher Debatten erlebt. Am Mikrofon wirbt SPD-Verteidigungsexperte Walter Kolbow für Unterstützung der Soldaten am Hindukusch. "Unsere Bundeswehr ist nicht nur eine Streitmacht, sie ist eine Parlamentsarmee, sie ist unsere Armee." Die Starre löst sich für einen Moment. Struck nimmt rasch die Brille ab, seine Hand wischt bemüht beiläufig über ein Auge.
Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Verteidigungsminister a. D., Peter Struck, ist nicht gelangweilt. Er kämpft mit den Tränen. Es ist eine harte Sitzungswoche für den 66-Jährigen, seine letzte nach 29 Jahren im Bundestag. Da braucht es einigen Zement, um den weichen Kern zu ummanteln. "Der Abschied fällt ihm sehr schwer", sagt Norbert Bicher, der Struck kennt wie kein anderer im politischen Berlin. Bicher ist, als Struck 1998 Fraktionschef wurde, dessen Sprecher geworden, ist ihm 2002 ins Verteidigungsministerium gefolgt und 2005 zurück in die Fraktion. Jetzt, da Struck Berlin den Rücken kehrt, will auch Bicher nicht mehr: "Er ist als Chef großartig gewesen, man soll aufhören, wenn's am schönsten ist."
Lobende Worte zum Abschied sind nichts besonderes in der Politik. "Hat sich verdient gemacht", "stets das Ganze im Blick" - oft klingt das Blabla wie eine verfrühte Grabrede. Bei Struck ist das anders. "Er ist gerade heraus, man kann sich hundertprozentig auf ihn verlassen. Manchmal war er schroff, aber menschlich immer zugänglich", sagt Fraktionsvize Klaas Hübner.
In der Tat gibt es einige SPD-Abgeordnete, die sich an humorlose Ordnungsrufe ihres Fraktionschefs erinnern dürften. Mehrere SPD-Parlamentarier hatten Ende 2006 eine Abstimmung über die ungeliebte Gesundheitsreform geschwänzt. Tage später, auf dem Neujahrsempfang der NRW-Landesgruppe in Berlin begrüßte Struck die Abgeordneten so: "Auf Euch hier kann ich mich verlassen, nur auf Karl Lauterbach nicht." Rums. Die Medienvertreter waren fast so verdattert wie der Abgeordnete Lauterbach, der mit geschwänzt hatte. Bald darauf war der Krach vergessen. "Er weiß genau, dass die Fraktion, dass sein Stab alles gibt; und dass er manchmal zu ungeduldig ist. Später tut's ihm leid, das bringt er dann auch zum Ausdruck", sagt Bicher.
Der Koalitionspartner erfreute sich nachträglicher Milde selten. Zwar hat Struck mit Unionsfraktionschef Volker Kauder die Fraktionen fast immer auf eine Linie zu bringen vermocht. Doch als die CDU sich im Januar 2007 über SPD-Angriffe gegen Roland Koch wegen dessen Ausländerkriminalitätskampagne im hessischen Landtagswahlkampf echauffierte, gab es Saures: "Die kann mich mal." Gnädigerweise hat er den Satz nicht vervollständigt.
Was bleibt nach 29 Jahren? Das "Strucksche Gesetz", demzufolge ein Entwurf den Bundestag immer anders verlässt, als er eingebracht wurde, wird überdauern. Weil es das Selbstbewusstsein des Parlaments in einfache Worte fasst wie auch die Notwendigkeit zum Kompromiss. Vielleicht der Satz, dass Deutschlands Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt werde, weil er wahr, aber auch folgenreich ist. Sicher die Erinnerung an einen Verteidigungsminister, der die Nachricht von gefallenen Bundeswehrsoldaten zu den bittersten Momenten seines Lebens zählt.
Am vergangenen Dienstag auf dem Sommerfest der SPD-Bundestagfraktion ist Struck auf die Bühne gestiegen. Hat gut gelaunt mit Pepitahut und Sonnenbrille "Jailhouse Rock" geröhrt. Dann sind die Bläck Fööss aufgetreten und sangen "Niemals geht man so ganz". Die Leute haben mitgesungen und Feuerzeuge in die Höhe gehalten. Peter Struck aber hat ganz starr gestanden, am Rand der Bühne. Wie aus Zement.