1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Pegida: Pegida: Stimmungsmache gegen Flüchtlinge in Dresden

Pegida Pegida: Stimmungsmache gegen Flüchtlinge in Dresden

Von Bernhard Honnigfort 08.09.2015, 18:37
Auch in Dresden finden sich zahlreiche Flüchtlingshelfer - mehr als Pegida-Anhänger.
Auch in Dresden finden sich zahlreiche Flüchtlingshelfer - mehr als Pegida-Anhänger. AFP Lizenz

Dresden - Es gibt sie noch, sie laufen immer noch durch die Stadt. Am Montagabend waren es rund 4000, die dem Aufruf der Wutmenschenbewegung Pegida in die Dresdner Innenstadt gefolgt sind. Die angeblichen „Patriotischen Europäer“ haben zwei neue Vorbilder: Viktor Orban, den ungarischen Regierungschef und Zaunbauer und Marine Le Pen, die französische Rechtsradikale. Pegida-Anführer Lutz Bachmann träumt davon, beide im Oktober als Redner nach Dresden einzuladen, außerdem den Österreicher Heinz-Christian Strache, einen Rechtspopulisten, der in Wien Bürgermeister werden will.

Ansonsten dasselbe Geschrei, dieselbe Selbstberauschung wie in den Monaten vor der Pegida-Sommerpause: Man fordert Politikerrücktritte von Kanzlerin Merkel runter bis zum sächsischen Innenminister, man schreit „Widerstand“ und „Volksverräter“, man schreit „Wir sind das Volk, ihr seid das Pack“, man brüllt „Lügenpresse“.

Fälle von offener Tuberkulose

Und es stört natürlich niemanden, dass Pegida selbst das Braune vom Himmel lügt und Gerüchte streut - wenn`s der Sache dient. Die Lokalredaktion der Sächsischen Zeitung hat es sich zum Sport gemacht, den Dingen auf den Grund zu gehen.

Kürzlich stießen die Dresdner Journalisten auf der Facebook-Seite von Tatjana Festerling, der gescheiterten Kandidatin für die Dresdner Oberbürgermeisterwahl im vergangenen Frühjahr, auf die Zeile „Neues aus der Zeltstadt“, dem Flüchtlingscamp am Dresdner Westrand: Es lägen Fälle von offener Tuberkulose (Tbc) vor, hieß es dort. Mitarbeiter des Friedrichstädter Krankenhauses hätten erzählt, auf dem in der Nähe gelegenen Klinikgelände würden schon Zelte aufgebaut.

Das Krankenhaus teilte mit, natürlich stünden Zelte auf dem Gelände, aber nicht zur Behandlung Tbc-Kranker, sondern als Festzelte: Man feiere die Grundsteinlegung für ein neues Krebszentrum.

Systematische Stimmungsmache gegen Flüchtlinge  

So geht es jetzt schon seit Wochen. In sozialen Netzwerken wird mit Lügen und Gerüchten systematisch Stimmung gegen Flüchtlinge in Dresden gemacht.

In den Tagen davor hatte es geheißen, Flüchtlinge würden im Dresdner Laden des Textil-Discounters Primark Kleidung einstecken, ohne zu bezahlen. „Entspricht nicht der Wahrheit“, ließ das Unternehmen mitteilen. So etwas sei niemals passiert.

Ähnliche Gerüchte über Diebstähle bei Aldi oder S.Oliver machten ebenfalls die Runde im Netz – die Unternehmen dementierten vehement. Auch die Dresdner Stadtverwaltung musste sich gegen Lügen von fremdenfeindlichen Verschwörungstheoretikern wehren: Das Rathaus zahle Geschäften bei Diebstählen von Flüchtlingen Entschädigungen und dränge dann auf deren Stillschweigen, hatte es geheißen. Kein Wort daran sei wahr, hatte die Stadtverwaltung dementiert.

Mehr Flüchtlingshelfer als Pegida-Anhänger

Die einen hetzen, die anderen helfen. Was auch in Dresden manchmal übersehen wird: Die Zahl derer, die Flüchtlinge unterstützen, übersteigt deutlich die Zahl derer, die bei Pegida mitlaufen. Es herrscht auch in Dresden kein Mangel an Kleiderspenden, kein Mangel an Spielzeug, an Gruppen, die helfen wollen, an Leuten, die privat Deutsch unterrichten oder Flüchtlingen im Park vor der Zeltstadt mal einen Kuchen vorbeibringen oder mit ihnen Federball oder Frisbee spielen.

An gutem Willen fehlt es nicht, die Umsetzung wird zum Problem: Eine Gruppe, sie nennt sich „Einladungsamt Dresden“, organisiert Treffen von Flüchtlingen und Dresdnern: gemeinsam kochen, gemeinsam essen, einander kennenlernen. Ihr geht es wie anderen auch: Sie wird überlaufen von Menschen, die helfen wollen. „Wir haben inzwischen so viele Anfragen, dass wir es nicht mehr nur zu zweit schaffen“, klagen die Organisatoren.

Es klemmt bei der Vermittlung. Außerdem gebe es weitaus mehr Dresdner, die Migranten einmal zum Essen oder gemeinsamen Kochen einladen möchten als Flüchtlinge, die dazu bereit wären. Bei denen habe sich das Angebot schlicht und einfach noch nicht so herumgesprochen. Es hapere bei den „ausländischen“ Anmeldungen, so das „Einladungsamt“.