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"Pegida"-Demo "Pegida"-Demo: Erneut Tausende Anhänger in Dresden

Von Bernhard Honnigfort 05.01.2015, 18:38

Dresden - Einer tut es dann doch, ein Unternehmer aus Chemnitz, ein Schrank von einem Mann. Er steuert das kleine bunte Holzbüdchen an, das Dresdner ganz in der Nähe von Acki`s Sportbar aufgestellt haben, wo sich etliche Pegida-Anhänger sammeln.

Montagabend, leichter Schneeregen und der Mann aus Chemnitz stellt seine Frage. „Komm, wir reden“, steht an dem Büdchen, 100 Dresdner drumherum, Stadt- und Landespolitiker, außerdem die neue SPD-Integrationsministerin Petra Köpping. Es ist der Versuch von Dresdnern, endlich einmal mit Pegida-Leuten ins Gespräch zu kommen; gleich beginnt deren Demo. Der Mann aus Chemnitz legt los: Seitdem es ein Flüchtlingheim bei ihm in der Nähe gebe, sei schon dreimal bei ihm eingebrochen worden. „Meine Frau rennt nur noch mit Reizgas durch unser Haus.“ Es gebe einen Verdächtigen, einen Libanesen, 16fach vorbestraft, mit auffälliger Zahnlücke, die Polizei kenne ihn: „Warum wird der nicht endlich abgeschoben?“ Sofort geht eine wilde Debatte los, jemand vom Dresdner Ausländerrat mischt mit. „Wir sitzen doch alle im gleichen Boot“, meint der Mann. Junge kriminelle Männer, egal, ob deutsch oder ausländisch. Ein Polizeibeamter schaltet sich in die Debatte ein, es geht hin und her – aber endlich redet mal einer. Dem Mann aus Chemnitz ist egal, dass sich die Bewegung, die sich gerade auf der Dresdner Cocker-Wiese versammelt, Patriotische Europäer heißt. „Könnten sich auch Gummibärchen nennen.“ Ihm geht es darum, dass endlich ein Forum entstanden ist, ein Raum für Leute mit Sorgen, wie er sie hat, abseits der etablierten Politik und ihrer Handlanger von der Lügenpresse, die das Land seit Jahren eingelullt hätten. Er hätte mal genau im Internet recherchiert, sagt er: Duisburg. In den 1970er sei das so gewesen wie in Sachsen, nun 40 Prozent Ausländer. „Das will ich hier nicht haben in 30 Jahren.“

Pfeifkonzert für Angela Merkel

Dann muss er los zur Cocker-Wiese, die ihren schönen Namen einem Auftritt des kürzlich gestorbenen Sängers Joe Cocker zu DDR-Zeiten verdankt. Grob 10000 Leute schätzt die Polizei, schwer zu sagen, der MDR vermutet, es seien sogar mehr als kurz vor Weihnachten, als sich 17500 Menschen trafen.

Es ist dann wie seit Wochen montagabends: Kahrin Oertel vom Orga-Team spricht und teilt der Menschenmenge mit, ihr sei das Essen nach der Neujahrsansprache von Bundeskanzlerin Merkel hochgekommen. Sofort gibt es ein gellendes Pfeifkonzert. Und einzelne Rufe: „Merkel muss weg.“ Fahnen werden geschwenkt, Fahnen aus Berlin, aus Norwegen, deutsche, einige russische. Transparente werden hochgehalten: „Sachsen bleibt Deutsch“ und „Mischpoke Özdemir“. Die Stimmung ist diesmal leicht aggressiv. Frau Oertel zieht wieder einmal über die Presse her, nachdem sie die Menge anfangs angewiesen hat, nicht mit den „Fake-Journalisten“ zu sprechen, was die Menge auch brav befolgt. „Volksverräter“, brüllen Demonstranten, als ein Kamerateam mit Scheinwerfer in die Menge hält.

Starredner des Abends ist der ehemalige FAZ-Journalist Udo Ulfkotte. Der Mann weiß, wie man vom Leder zieht, er weiß, wie man den Nerv trifft: Normalbürger seien Aussätzige für die Politik. Jubel und Pfiffe. Er fordert Rückführungsbeauftragte für unerwünschte Ausländer, schimpft über „Sonderrechte“ für Muslime auf deutschen Friedhöfen und über die „Trottelsprache“, die dem Volk von Politik und Medien seit Jahren eingeimpft werde. Und Flüchtlinge?, fragt er laut „Ich sehe nur kräftige junge Männer“, ruft er. Höhnisches Gelächter. „Endlich sagt's mal einer“, meint ein Mann dazu.

„Wachsender Wutstau“

Es ist ein nasskalter Abend, Ulfkotte heizt der Menge ein. Er warnt die Politik: Das Volk suche sich seine Politiker aus und entscheide über deren Verfallsdatum. Nicht vergessen. Das Volk hingegen sei nicht austauschbar. Johlender Applaus. Ein „wachsender Wutstau“, das ist das, was er überall in Deutschland sieht, Vulkane, die irgendwann ausbrechen müssen.

In Sachsen passiert es schon. Rednerin Oertel gelingt an diesem Abend sogar eine echte Überraschung: Sie lädt Stanislaw Tillich als Gastredner ein. „Zeitnah“, wie sie sagt. Soll der sächsische CDU-Ministerpräsident "dem Volk" doch einmal erklären, wie er die Dinge sieht, wenn er sich das traut. Wieder Johlen, Pfeifen, Applaus.

Eigentlich ein Angebot, das er nicht ablehnen kann.