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Parteistreit Parteistreit: Linke-Politiker kontern Gysis Kritik

Von Markus Decker 27.05.2016, 15:07
Der ehemalige Linken-Fraktionschef Gregor Gysi bei seiner Verabschiedung aus dem Deutschen Bundestag.
Der ehemalige Linken-Fraktionschef Gregor Gysi bei seiner Verabschiedung aus dem Deutschen Bundestag. dpa

Berlin - Am Freitag hätte man auf den Gedanken kommen können, Gregor Gysi plage ein schlechtes Gewissen. „Ich hoffe auf ein gutes Wahlergebnis für Katja Kipping und Bernd Riexinger“, twitterte der einstige Fraktionsvorsitzende vor dem Parteitag am Wochenende in Magdeburg. Hatte der derselbe Gysi nicht zuvor erklärt, die Linke sei „saft- und kraftlos“, also jene Linke, der Kipping und Riexinger vorsitzen? Ein führender Linker beschrieb die Lage so: „Jetzt haben wir Gysi als Redner nicht vorgesehen – und trotzdem schafft er es, überall präsent zu sein.“

Gysi hatte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gesagt, die Wähler sprächen der Linken ihre Gestaltungskraft ab. Denn im Bund vermittle die Partei den Eindruck, nicht in die Regierung zu wollen. Im Osten wiederum müsse sie die Konkurrenz der AfD fürchten. Die Reaktionen sind genervt.

Riexinger und Wagenknecht kontern Gysi

Der Parteivorsitzende Bernd Riexinger sagte dieser Zeitung: „Das Gegenteil ist richtig, der Parteitag wird Aufbruch-Stimmung verbreiten. Ich spüre keine Niedergeschlagenheit, sondern die Bereitschaft, nach vorn zu blicken. Es gibt keinen Grund zum Jammern.“ In den bundesweiten Umfragen liege die Partei stabil zwischen neun und zehn Prozent. Fraktionschefin Sahra Wagenknecht erklärte: „Ständige Querschüsse aus dem Off helfen niemandem.“

Tatsächlich beteuerte der 68-Jährige bei seinem Abschied im Herbst, wie sehr er sich über die neue Freiheit freue. Noch vor einer Woche trat er in einer Talkshow des SWR auf und beklagte, wie sein politisches Leben sein Privatleben beeinträchtigt habe. Gleichwohl schrieb Gysi eine Art Drohbrief an Wagenknecht und ihren Co-Vorsitzenden Dietmar Bartsch – weil sie ihn im Bundestag nicht mehr ans Rednerpult ließen. Beide hatten zuletzt den Eindruck erweckt, als hätten sie die Wogen mit Gysi in einem persönlichen Gespräch glätten können. Darauf deutet nichts mehr hin. Ein Insider aus der Parteispitze sagt, dieser habe „ein Problem mit seinen Nachfolgern“.

Gallert: „AfD-Problem schwer zu lösen“

Inhaltlich steht seine Kritik quer. Sachsen-Anhalts gescheiterter linker Spitzenkandidat Wulf Gallert sagte dieser Zeitung zu Gysis Äußerungen: „Ich finde sie schwierig, weil er als Ursache den angeblich fehlenden Regierungswillen nennt. Den kann man uns nicht vorwerfen.“ Die Kritik sei daher ziemlich widersprüchlich. Und das AfD-Problem sei schwer zu lösen. Gallert hatte bei der Wahl am 13. März alles daran gesetzt, Ministerpräsident einer rot-rot-grünen Koalition zu werden. Wagenknecht hatte das sogar moniert.

Beim Berliner Landesvorsitzenden Klaus Lederer rennt Gysi ebenfalls offene Türen ein. „Wenn man Gesellschaft verändern will, dann muss man das auch ausstrahlen“, erklärte er. „Wir könnten da auf der Führungsebene stärker an einem Strang ziehen. Wir sollten kein plumpes Anti-Establishment-Bashing machen und kein instrumentelles Verhältnis zu den Ängsten der Leute entwickeln.“ Es reiche für eine Partei auch nicht aus, sich auf den außerparlamentarischen Protest zu beschränken, fuhr Lederer fort. „Wir müssen zugleich die Spielräume nutzen für das Hier und Jetzt.“