Partei Partei: Urwahl entzweit Linke
Berlin/MZ. - Er kommt zu dem Schluss, dass eine Urwahl oder auch nur eine bloß konsultative Befragung der Mitglieder sowohl gegen das Parteiengesetz als auch gegen die Satzung der Partei verstoße. Die Wahl der Vorsitzenden liege nach Paragraf 9 des Parteiengesetzes in der alleinigen Entscheidungskompetenz des Parteitages, argumentiert Neskovic.
Auch eine Befragung der Mitglieder, an deren Ergebnis die Delegierten des für Juni in Göttingen geplanten Parteitages zumindest formell nicht gebunden wären, hält er für unzulässig. "Wenn die Basis der Parteimitglieder sich entscheidet, hat dies eine faktische Bindungswirkung", heißt es in der Expertise. So werde der Parteitag zum "bloßen Akklamationsorgan". Bisher haben die amtierende Parteichefin Gesine Lötzsch und Ex-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch ihre Kandidatur erklärt; Letzterer kommt aus Vorpommern.
Der Vorsitzende der Linksfraktion im Thüringer Landtag, Bodo Ramelow, attackierte Neskovic scharf. "Das Gutachten ist uninteressant, da sich die Bundestagsfraktion hier mal wieder in Dinge einmischt, die wirklich nicht Sache der Bundestagsfraktion sind", sagte er der Mitteldeutschen Zeitung. "Die Bundestagsfraktion tut so, als ob der Rest der Partei eine dranhängende Unterorganisation wäre." Ramelow fügte hinzu: "Es ist am Schluss der Parteitag, der über die künftigen Parteivorsitzenden entscheiden muss. Die Frage ist nun, ob ein vorheriges Mitgliedervotum zulässig ist oder nicht." Neskovic hingegen habe eine Urabstimmung begutachtet und so Äpfel mit Birnen verwechselt. "Äpfel und Birnen haben etwas Gemeinsames, nämlich den Oberbegriff Obst. Herr Neskovic hat sich zu Selbigem gemacht."
Der Thüringer, der als Vertrauensperson mit der konkreten Ausgestaltung einer möglichen Mitgliederbefragung befasst ist, stellte klar, dass allein der Düsseldorfer Parteienrechtler Martin Morlok ausreichend qualifiziert und legitimiert sei, ein Gutachten abzugeben. Morlok war vom Geschäftsführenden Parteivorstand damit beauftragt worden. Die Befürworter der Mitgliederbefragung wollen notfalls die Schiedskommission anrufen. Sie weisen zudem daraufhin, dass Neskovic, der Mitglied der SPD sowie der Grünen war, das einzige parteilose Mitglied der Fraktion und schon deshalb bloß bedingt berechtigt sei, sich zu Parteifragen zu äußern.
Am 12. Januar trifft sich der Geschäftsführende Parteivorstand, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Der Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi will, dass ein kleiner Zirkel ein "kooperatives Führungsteam" vorschlägt - ähnlich wie im Januar 2010, als man sich informell auf das Führungsduo aus Gesine Lötzsch und Klaus Ernst verständigte. Eine Wiederholung dieser Form von Auslese lehnen die Anhänger eines basisdemokratischen Verfahrens aber als intransparent ab.