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Partei Die Linke Partei Die Linke: Liebich spricht sich für Rot-Rot-Grün aus

30.09.2013, 14:58
Stefan Liebich holte bei der Bundestagswahl am 22. September im Berliner Bezirk Pankow zum zweiten Mal das Direktmandat für die Partei Die Linke.
Stefan Liebich holte bei der Bundestagswahl am 22. September im Berliner Bezirk Pankow zum zweiten Mal das Direktmandat für die Partei Die Linke. privat Lizenz

Berlin/MZ - Der linke Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich gilt als eines der Talente in der Bundestagsfraktion und ist jetzt als neuer Parlamentarischer Geschäftsführer im Gespräch. Er zog im Berliner Bezirk Pankow zum zweiten Mal direkt in den Bundestag ein. Dem 40-jährigen Außenpolitiker schlägt in Teilen aber auch Skepsis entgegen, weil er sehr pragmatisch denkt.

Herr Liebich, Gregor Gysi hat gesagt, das Bundestagswahlergebnis der Linken sei historisch. Sehen Sie das auch so?

In der Konsequenz schon. Denn wir sind drittstärkste Partei. Das ist ein Knüller.

Aber die Linke hat 3,3 Prozentpunkte, 12 Direktmandate und 340 000 Stimmen allein an die AfD verloren.

Deshalb habe ich ja auch gesagt: in der Konsequenz. Ich bin seit 23 Jahren Mitglied in unserer Partei und ich habe viele Aufs und Abs erlebt. Da ist es schon ein Wert an sich, dass wir drittstärkste Partei sind. Gleichwohl sind im Vergleich zur letzten Bundestagswahl Verschlechterungen eingetreten.

Wie erklären Sie sich diese Verschlechterungen?

Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, als befassten wir uns mehr mit uns selbst als mit denen, die uns gewählt haben. Das ist uns in der letzten Legislaturperiode nicht ausreichend gelungen. Zum anderen mussten wir auch in Ostdeutschland zur Kenntnis nehmen, dass der Erdrutschsieg der CDU nicht aufzuhalten war. Das war bitter.

An die AfD haben Sie offenbar Stimmen abgegeben, weil sie als Protestpartei wahrgenommen wurde und die Linke nicht mehr.

Ich halte es gar nicht für erstrebenswert, dauerhaft nur Protestpartei zu sein. Wir müssen zwar weiterhin Adresse sein für diejenigen, die denen da oben etwas sagen wollen. Aber das kann nicht alles sein.

Welche Konsequenzen muss die Linke ziehen?

Wir müssen dafür arbeiten, dass eine rot-rot-grüne Koalition nicht nur rechnerisch möglich ist, sondern auch eine inhaltliche Basis hat. Dazu müssen SPD und Grüne ihre Tabus beiseite legen. Und wir müssen an unserer Substanz arbeiten. Das ist eine richtig schwere Arbeit.

Was bedeutet:an der Substanz arbeiten?

Unsere gute Programmatik muss stärker mit Konzepten untersetzt werden. Es wird beispielsweise immer gesagt, die Linke wolle aus der Nato austreten. Die Wahrheit ist aber, dass wir die Nato ersetzen wollen durch ein internationales Sicherheitsbündnis unter Einbeziehung Russlands. Es kann nicht unser sicherheitspolitisches Ziel sein, die eigene Isolation oder auch die von Russland  zu befördern. Und da ist es unsere Aufgabe herauszuarbeiten, wie diese Sicherheitsstruktur genau aussehen soll. Mit einem Kompromisssatz im Programm ist das nicht getan.

Ist denn die Bereitschaft dafür in der Partei vorhanden? Man hat den Eindruck, die Außenpolitik diene der Linken mehr zur innerparteilichen Identitätsbildung als zur Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit.

Für viele bei uns ist die Außenpolitik ein schwieriges Feld, weil jeder Schritt als Öffnung einer Tür verstanden wird, bei deren Durchschreiten wir am Ende, wie schon SPD und Grüne, Kriegseinsätzen zustimmen. Ich verstehe diese Furcht durchaus, weil der Druck immens ist. Trotzdem darf dies nicht dazu führen, dass wir diese Tür einfach nur verbarrikadieren und über Dinge, über die wir tatsächlich auch reden müssen, einfach schweigen. Angst ist ein schlechter Ratgeber.

Unter welchen Bedingungen würden Sie Auslandseinsätzen zustimmen?

Ein Kriegseinsatz wie in Afghanistan wird niemals unsere Zustimmung bekommen. Auch Bombardierungen als Strafe", so wie es aktuell bei Syrien ins Spiel gebracht wurde, sind abzulehnen. Aber ein Nothilfeeinsatz wie bei der Hungerkatastrophe 1984 in Äthiopien warum nicht? Ich würde sogar noch weiter gehen: Wenn die Vereinten Nationen einen Waffenstillstand zwischen zwei Konfliktparteien aushandeln und beide Seiten damit einverstanden sind, dass dieser Waffenstillstand durch Blauhelmsoldaten abgesichert wird, sollte auch die Bundesrepublik nicht grundsätzlich Nein sagen. Ich bestehe darauf, dass jeder Einzelfall genau geprüft wird. Was machen wir bei einem Genozid wie in Ruanda 1994, wo es fast eine Million Tote zu beklagen gab? Einfach nur zusehen?

Gibt es sonst noch Veränderungsbedarf?

Was in der Außenpolitik gilt, gilt in allen Politikfeldern. Wir haben gute Ziele. Doch wir müssen den Weg dahin klarer beschreiben.

Kommen wir zu den Personalfragen. Wer soll die Fraktion führen: Gregor Gysi oder Sahra Wagenknecht?

Das muss Gregor Gysi machen. Er ist der Beste und er hat einen unglaublichen Wahlkampf hingelegt.

Wäre es nicht ein Beitrag zur Befriedung, ihm Sahra Wagenknecht an die Seite zu stellen, damit sich die gesamte Fraktion mit der Führung identifizieren kann?

Nein. Sahra Wagenknecht vertritt unsere Positionen sehr gut. Aber es gibt schon noch einen großen Unterschied zwischen ihr und Gregor Gysi. Wir haben damals gerade die Schule beendet, als er verhindert hat, dass unsere Partei zusammenbricht. Es wäre einfach falsch, sie mit ihm auf einer Ebene die Fraktion führen zu lassen. Gysi wird die Fraktion erfolgreich führen, und es wäre mehr als unfair, ihm ein Ablaufdatum anzukleben. Gregor Gysi weiß ja, dass wir diese Legislaturperiode nutzen müssen, um den Generationswechsel einzuleiten.

Was würden Sie denn selbst gerne machen?

Ich habe Gregor Gysi angeboten, mehr Verantwortung in der Fraktion zu übernehmen. Ich bin ja der einzige, der seinen Wahlkreis gewonnen und dabei noch Stimmen zugelegt hat, obwohl die Partei verloren hat. Darauf bin ich stolz. Und das muss auch was mit meiner Person zu tun haben.

Es gibt aber auch Leute, die Sie für ein trojanisches Pferd des bürgerlichen Lagers halten nicht zuletzt wegen Ihrer schicken Anzüge.

Das ist Quatsch. Gregor Gysi und Oskar Lafontaine tragen auch Anzüge. Jeder hat seinen eigenen Stil. Und ich mag auch Jeans.