Parlamentswahl in Russland Parlamentswahl in Russland: Putins Partei steuert auf Zweidrittel-Mehrheit zu

Moskau/dpa. - Die Kremlpartei Geeintes Russland kann nach den ersten Auszählungsergebnissen mit 315 von insgesamt 450 Sitzen rechnen. Das ergaben Berechnungen des Radiosenders «Echo Moskwy» nachder Parlamentswahl am Sonntagabend. Damit würde die Partei, für die Präsident Wladimir Putin als Spitzenkandidat antrat, über eine verfassungsgebende Zweidrittel-Mehrheit verfügen. Im alten Parlament zählte die Fraktion zuletzt 297 Abgeordnete.
Die zweitplatzierte Kommunistische Partei darf mit etwa 55 Sitzen rechnen. Das wären 8 mehr als in der alten Duma. Die beidennachfolgenden Parteien, die nationalistische liberaldemokratische Partei (LDPR) und Gerechtes Russland müssten sich die verbliebenen 80 Mandate aufteilen. Voraussetzung ist dabei, dass beide Parteien überder Sieben-Prozent-Hürde bleiben.
Die Kommunisten kündigten eine Anfechtung der Wahl an. DieWahlbeteiligung lag mit über 60 Prozent deutlich über der Quote von2003. Die Parteien mussten nach einer Verschärfung des Wahlgesetzesdie auf sieben Prozent gestiegene Hürde überspringen. 107 MillionenWähler waren zur Stimmabgabe aufgerufen.
Der Kreml hatte die Wahl als Referendum für die Politik Putinsausgegeben. Nach Auszählung von 13 Prozent der Stimmen lag dieKremlpartei Geeintes Russland bei 63 Prozent. Mit Putin an der Spitzegalt der Partei bereits im Vorfeld der Sieg als sicher. Er sei in«Feierlaune», weil die Bürger nur Politiker ihres Vertrauens wählten,hatte Putin bei seinem Urnengang gesagt. Putin hatte den Sieg zurBedingung für einen Verbleib in der Politik nach dem Ende seinerAmtszeit im Frühjahr gemacht.
Der Politiker und Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow sagte derDeutschen Presse-Agentur dpa in Moskau, das Verhalten des Kremlsverhelfe der bislang zerstrittenen Opposition zur Einigung. «Es wirdtrotz des Gegendrucks eine Kraft in Russland geben, die mit einerneuen Form von Diktatur nicht einverstanden ist», sagte Kasparow.
Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte am Sonntag imDeutschlandfunk Einschränkungen für die Opposition. Kasparow, dervergangene Woche eine Haftstrafe wegen Verstoßes gegen dasVersammlungsrecht abgesessen hatte, dankte Merkel für die «moralischeUnterstützung». Die liberalen Oppositionsparteien blieben chancenlos,zumal mit dem verschärften Wahlgesetz die Direktmandate auch fürEinzelkandidaten abgeschafft worden waren.
Anhänger Putins werteten die Abstimmung als Mittel zurLegitimation Putins für einen Verbleib an der Macht. Der Kremlchefäußerte sich am Wahltag nicht zu der Frage, ob er noch vor Ablauf derAmtszeit als Präsident sein Abgeordnetenmandat wahrnehmen wolle. DerStaatsapparat hatte mit allen Mitteln versucht, die weitgehendunpolitische Bevölkerung zu mobilisieren. So wurden im WahlkampfGeschenke wie Wodka, Tierfutter oder auch warme Decken versprochen.Putin heizte die Stimmung zusätzlich an, indem er die Opposition als«Schakale» beschimpfte. Zudem warnten Staatsmedien vor einer Revanchedurch die «Feinde Putins».
Das Innenministerium sprach am Sonntag von einem ruhigen Verlaufder Wahl ohne «ernsthafte Zwischenfälle». Beobachter beklagtendagegen zahlreiche Verstöße. «Bei unserer Hotline gingen landesweitbislang mehr als 3500 Beschwerden ein», sagte die Sprecherin derOrganisation «Golos» (Stimme), Lilija Schibanowa. Viele Anrufermonierten die Wahlumstände in den Kasernen des Landes. Dort seivielerorts eine geheime Wahl unmöglich, da die Soldaten ihrenWahlzettel unter Aufsicht ausfüllen müssten.
Die liberale Jabloko-Partei berichtete von Autobussen, mit denenDutzende Männer und Frauen zur mehrfachen Stimmabgabe durch Moskaugefahren worden seien. Die Opposition beklagte zudem, dass ihreWahlbeobachter mancherorts keinen Zugang zu den Wahllokalenerhielten. Russland hatte deutlich weniger ausländischeWahlbeobachter als 2003 eingeladen. Mehr als 4500 Kandidaten von elfParteien kandidierten für den Einzug in die Duma. Ersteaussagekräftige Ergebnisse über die Verteilung der 450 Sitze wurdenin der Nacht zu Montag erwartet.