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Tod von Otto Warmbier Otto Warmbier: In Nordkorea inhaftiert - Tod des US-Studenten erinnert an Zeiten des Kalten Krieges

Von Karl Doemens 20.06.2017, 07:45
Otto Warmbier im März 2016. 
Otto Warmbier im März 2016.  AP

Washington - Am Ende kehrte er nachhause zurück. Aber seine Heimat hat Otto Warmbier nicht mehr gesehen. Knapp eine Woche nach seiner Freilassung aus einem Arbeitslager in Nordkorea ist der 22-jährige US-Student, der monatelang im Wachkoma lag, am Montag in Cincinnati gestorben. „Die furchtbar qualvollen Misshandlungen, die unser Sohn in den Händen der Nordkoreaner erfahren hat, machten das traurige Ende unausweichlich“, erklärten die Eltern.

Damit endet eine Tragödie, die an finsterste Zeiten des Kalten Krieges erinnert und den menschenverachtenden Zynismus des kommunistischen Regimes von Pjöngjang vorführt, das immer wieder versucht, amerikanische Häftlinge als Faustpfand für politische Forderungen einzusetzen. Dieses Mal missglückte die Aktion offenbar. In den USA machen sich nun Wut und Entsetzen breit, und Forderungen nach Konsequenzen werden lauter. Das wegen des nordkoreanischen Atomprogramms ohnehin miserable Verhältnis zwischen Washington und Pjöngjang steht vor einer Eiszeit.

Nordkorea muss für Warmbiers Tod verantwortlich gemacht werden

„Otto Warmbier, ein amerikanischer Staatsbürger, wurde vom Regime von King Jong-un ermordet“, erklärte der republikanische Senator John McCain am Dienstag: „Die Vereinigten Staaten können und dürfen den Mord an seinen Bürgern durch feindliche Mächte nicht länger tolerieren“, forderte der Hardliner aus Arizona. Doch auch der demokratische Senator Benjamin L. Cardin machte Nordkorea direkt für den Tod des Studenten verantwortlich: „Otto ist tot wegen des repressiven, mörderischen Regimes von Kim Jong-un“, erklärte er und verlangte, die Regierung in Pjöngjang müsse für ihr „fortgesetztes barbarisches Verhalten verantwortlich gemacht werden“.

US-Präsident Donald Trump hatte in einer ersten schriftlichen Stellungnahme am Montagabend „die Brutalität des nordkoreanischen Regimes“ verdammt. Doch dabei dürfte es kaum bleiben. Trumps Zusatz, Amerika sei in der Lage, damit umzugehen, klingt wie eine unbestimmte Drohung. Zunächst geht es darum, weitere dramatische Verhaftungen von US-Bürgern zu verhindern. Im amerikanischen Repräsentantenhaus gibt es bei Republikanern und Demokraten seit längerem Überlegungen für Reiserestriktionen. Inzwischen erwägt Außenminister Rex Tillerson ein generelles Reiseverbot für US-Bürger in das kommunistische Land, wo derzeit noch drei weitere Amerikaner in Haft sitzen.

Warmbier zu 15 Jahren Straflager verurteilt

Warmbier war Ende Dezember 2015 mit einer Reisegruppe von Peking nach Nordkorea gereist und wollte dort eigentlich nur ein paar Tage über den Jahreswechsel verbringen. Kurz vor der geplanten Ausreise wurde er am Flughafen Pjöngjang wegen „feindlicher Aktivitäten“ festgenommen. Er soll in einem Hotel der Hauptstadt ein Propagandabanner gestohlen haben.

Damit begann für den jungen Mann, der in den USA Wirtschaftswissenschaften studierte und von Bekannten als freundlich, neugierig und vielversprechend beschrieben wird, eine Zeit des Grauens. Im März 2016 wurde er in einem Scheinprozess zu 15 Jahren Straflager verurteilt. Zuvor hatte er bei einer mutmaßlich erzwungen Pressekonferenz erklärt, er habe das Plakat gestohlen, weil ihm ein Bekannter aus seiner Kirche für die Trophäe einen Gebrauchtwagen geboten habe.

Zustand der „reaktionslosen Wachheit“

Es vergingen 15 endlose Monate, in denen seine Eltern nichts mehr von ihm hörten – bis ihnen vor zwei Wochen telefonisch mitgeteilt wurde, dass Otto im Koma liege. Am Dienstag der vergangenen Woche wurde der junge Mann überraschend in die USA entlassen. Er konnte zwar selbständig atmen und unkontrolliert blinzeln, reagierte aber weder auf Aufforderungen noch auf Sprache. „Am besten lässt sich sein Zustand als reaktionslose Wachheit beschreiben“, sagte der behandelnde Intensivmediziner Daniel Kanter. Er stellte „erhebliche Verluste an Gewebe in allen Teilen des Gehirns“ fest.

Wie es dazu gekommen ist, wird möglicherweise nie aufgeklärt werden. Die nordkoreanischen Offiziellen behaupten, Warmbier sei bereits kurz nach seiner Verurteilung an einer seltenen Lebensmittelvergiftung erkrankt, nach der Einnahme von Schlaftabletten kollabiert und nicht wieder aufgewacht.

Vater von Warmbier kritisiert Obama-Regierung – und lobt Trump

Die amerikanischen Ärzte halten diese Schilderung nicht für glaubwürdig, da sie keinerlei Hinweise auf eine Vergiftung gefunden haben. Sie führen die Hirnschäden auf einen Herzstillstand und die dadurch bedingte Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff zurück. Für die Überzeugung der Eltern, dass der Student während seiner Gefangenschaft „brutal behandelt und terrorisiert“ wurde, fanden sich an seinem Körper bislang keine Belege.

„Wir haben sehr wenige Antworten“, hatte Warmbiers Vater Fred schon vor einer Woche gesagt. Daran hat sich seither nicht viel geändert. Unklar ist auch, weshalb und zu welchen Konditionen der offenbar seit langem schwer verletzte Student nun freikam. Sein Vater dankte vor einer Woche ausdrücklich Präsident Trump für seinen Einsatz und kritisierte die Vorgängerregierung von Barack Obama, die stets – ohne Erfolg - zur Zurückhaltung aufgefordert habe, um das Leben des Sohnes nicht zu gefährden.

Eltern nehmen auf persönliche Art Abschied

In der aufgeheizten Stimmung Amerikas dürfte es nun nicht lange dauern, bis Politiker versuchen, das Schicksal des Studenten auszuschlachten. Den Vorwurf zu großer Nachgiebigkeit gegenüber dem Regime in Pjöngjang kann Trump allerdings nicht einfach gegen Obama erheben. Er selbst hatte noch vor sechs Wochen den Machthaber Kim Jong-un als „kluges Kerlchen“ bezeichnet und erklärt, es wäre für ihn eine „Ehre“, sich zum gegebenen Zeitpunkt mit dem Regenten zu treffen.

Die Eltern hingegen nahmen auf eine sehr persönliche, anrührende Art Abschied von dem Studenten, der sein Leben wegen einer Dummheit verlor. In einer schriftlichen Stellungnahme berichteten sie, bei seiner Ankunft vor einer Woche habe Otto in seinem Wachkoma „sehr unglücklich und fast qualvoll“ ausgesehen. „Obwohl wir seine Stimme nie mehr hörten, änderte sich innerhalb eines Tages sein Gesichtsausdruck – er wirkte friedlich. Er war zuhause und wir glauben, er konnte das fühlen“, schreiben die Eltern. Das wäre zumindest ein kleiner Trost in einer grauenhaften Geschichte, die selbst abgebrühte Zeitgenossen erschaudern lässt.