Österreich Österreich: «Bis in den Tod Rot-Weiß-Rot»

Wien/dpa. - Am 24. Februar 1938 fasst sich Österreichs Kanzlerein Herz. In einer flammenden Rede vor dem Bundestag in Wienbeschwört Kurt Schuschnigg vor 70 Jahren ein letztes Mal denPatriotismus seiner Landsleute, um einen drohenden Einmarsch derdeutschen Wehrmacht noch abzuwenden: «Wir bekennen uns feierlich voraller Welt zu unserem Vaterland», ruft der überzeugte Monarchist.«Bis in den Tod Rot-Weiß-Rot!» Doch schon am 12. März überschreiten deutsche Soldaten die Grenze. Einen Tag später wird der sogenannte Anschluss an das Deutsche Reich gesetzlich vollzogen. Österreich hörtfür sieben Jahre auf zu existieren.
Millionen Österreicher hatten den Anschluss ersehnt. SeitJahrhunderten gab es Bestrebungen, die Staaten deutscher Sprache zueinen. Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg, dem Ende derHabsburger Monarchie und der Reduzierung des einstigen Riesenreichsauf das Stammland wurden sie stärker. Viele hielten das kleine Landfür nicht überlebensfähig. Doch die Friedensverträge verboten einenAnschluss.
Bereits 1919 stimmten die Vorarlberger überwältigend für einenAnschluss an die Schweiz, der freilich nicht zustande kam.Monarchisten auf der einen und Deutschnationale auf der anderen Seiteforderten den Anschluss an Deutschland. Selbst die Sozialdemokratendrangen darauf - Motto: «Anschluss an Deutschland ist Anschluss anden Sozialismus». 1921 sprachen sich Tirol und Salzburg mit über 99Prozent dafür aus. Weitere Abstimmungen wurden daraufhin verboten.
Mit der Machtübernahme des gebürtigen Österreichers Adolf Hitler1933 in Deutschland ändert sich die Ausgangslage radikal. Hitler, derseine Staatsbürgerschaft 1925 abgegeben hatte und 1932 deutscherReichsbürger wurde, hatte schon in «Mein Kampf» die Paroleausgegeben: «Deutschösterreich muss wieder zurück zum großendeutschen Mutterlande!» Zunächst hält er sich zurück - mit Rücksichtauf das faschistische Italien, das sich als Wächter derUnabhängigkeit Österreichs betrachtet und 1934 wegen einesnationalsozialistischen Putschversuchs und der Ermordung desBundeskanzlers Engelbert Dollfuß eine Division am Brennerpassaufmarschieren lässt. Doch systematisch unterwandert Berlin dasfragile politische System in Österreich.
Dollfuß' radikal-monarchistischer Nachfolger Schuschnigg versucht,dem durch eine immer stärkere Assimilierung an den deutschenNationalsozialismus entgegenzuwirken. Am 11. Juli 1936 schließt ermit Hitler das sogenannte Juliabkommen: Er amnestiert inhaftierteNationalsozialisten und lässt deren Zeitungen wieder zu. Auf massivenDruck Hitlers nimmt er außerdem Nationalsozialisten in seineRegierung auf. Österreichs Nazis können sich nun weitgehend freientfalten.
Im November 1937 erläutert Hitler der Wehrmachtsführung seinemilitärischen Pläne für eine Annexion der damaligen Tschechoslowakeiund Österreichs, die er spätestens 1943 vollziehen will. Am 12.Februar 1938 zitiert er Schuschnigg zu einem Treffen auf denObersalzberg. Er fordert die Aufhebung des Parteiverbots für dieNationalsozialisten und ihre stärkere Beteiligung an der Regierung -und droht unverhohlen mit einem Einmarsch. Vier Tage später machtSchuschnigg den Nazi Arthur Seyß-Inquart zum Innenminister mitKontrolle über die Polizei.
Doch seine Hoffnung, damit die Selbstständigkeit des Landesgerettet haben, trügt. Als er die Gefahr der nationalsozialistischenMachtübernahme in Wien erkennt, kündigt er überraschend am 9. Märzfür den 13. März eine Volksabstimmung an. Das Volk soll direkt sagen,ob es ein «freies und deutsches, unabhängiges und soziales, einchristliches und einiges Österreich» behalten will.
Doch das lässt Hitler nicht zu. Er mobilisiert die 8. Armee,beruhigt Italien und stellt Schuschnigg ein Ultimatum. DessenHilferuf an Briten und Franzosen verhallt ungehört. Am 11. März trittSchuschnigg zugunsten des Nationalsozialisten Seyß-Inquart zurück.Als Bundespräsident Wilhelm Miklas dessen Ernennung verweigert,verkündet Hitler am 12. März: «Seit heute morgen marschieren überalle Grenzen Deutschösterreichs die Soldaten der deutschenWehrmacht.»
Drei Tage später jubeln zehntausende Österreicher auf dem WienerHeldenplatz dem «Führer» zu. Wenig später beginnt auch in Österreichder nationalsozialistische Terror. Schon innerhalb der ersten Wochenwerden schätzungsweise 76 000 Menschen verhaftet und zum Teil inKonzentrationslager gebracht. Viele Juden fliehen aus dem Land. Am10. April 1938 stimmen 99,7 Prozent der Bevölkerung für den«Anschluss».
Fünf Jahre später halten die Kriegsalliierten fest: Österreich istdas erste Opfer des nationalsozialistischen Expansionsdrangs.