Öffentlicher Dienst Öffentlicher Dienst: Keine Annäherung vor Ausweitung des Streiks
Berlin/dpa. - In einem der zentralen Streitpunkte,der Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich, beharrte derVorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), HartmutMöllring (CDU), auf Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche. Ver.diverteidigt dagegen die 38,5-Stunden-Woche, die allerdings nicht mehrfür den gesamten öffentlichen Dienstes gilt. Ein Kompromissvorschlagaus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, für längere Arbeitszeitenmehr Geld zu zahlen, wurde von anderen Ländern zurückgewiesen.
Von Montag an werden ver.di, Polizeigewerkschaft,Lehrergewerkschaft GEW und die Tarifunion des Beamtenbundes (dbb) denin den Kommunalbetrieben Baden-Württembergs begonnenen Streik aufKrankenhäuser, Straßenmeistereien und andere Betriebe in zahlreichenBundesländern ausdehnen. Davon betroffen sind: Schleswig-Holstein,Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen,Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern und das Saarland. Weiterbestreikt werden in ausgewählten Kommunen die Müllabfuhr,Kindertagesstätten und Sozialdienste.
Mit der Ausweitung des Streiks auf Landeseinrichtungen wollen dieGewerkschaften die Länder zwingen, den mit Bund und Kommunengeschlossenen neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst zuübernehmen. Von den Uni-Kliniken fordert ver.di die Übernahme des fürdie kommunalen Krankenhäuser bereits geltenden Tarifvertrages. In derAuseinandersetzung mit den kommunalen Arbeitgebern steht weiterhinder Streit um die Arbeitszeit im Mittelpunkt.
Auf entschiedenen Widerspruch in den eigenen Reihen stieß derKompromissvorschlag, für längere Arbeitszeiten mehr Geld zu zahlen.Den Vorstoß der Regierungschefs von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, Günther Oettinger (CDU) und Kurt Beck (SPD), lehnte BayernsMinisterpräsident Edmund Stoiber (CSU) ab. «Der Staat als Arbeitgeberhat wenig Spielräume bei den Tarifverhandlungen», sagte Stoiber dem«Spiegel». Nordrhein-Westfalens Finanzminister Helmut Linssen (CDU)widersprach ebenfalls. Wenn Oettinger mehr Geld in der Kasse habe,dann sei das seine Sache. «Nordrhein-Westfalen hat diesenBewegungsspielraum nicht», sagte Linssen dem «Focus». Auch ver.di unddie anderen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes sind gegen denVorschlag, weil sie bei einer Verlängerung die Streichung tausenderArbeitsplätze befürchten.
Möllring, der Verhandlungsführer der Länder und Finanzminister inNiedersachsen, blieb bei der Arbeitszeitfrage hart. Im öffentlichenDienst habe es bis 1989 die 40-Stunden-Woche gegeben. Zu dieser Zeitseien die Kassen im Vergleich zu heute prall gefüllt gewesen. Wasdamals selbstverständlich gewesen sei, könne heute nicht unzumutbarsein, sagte er der «Bild am Sonntag».
Ver.di-Tarifexperte Kurt Martin verteidigte die Streiks. DieBeschäftigten «haben es satt, das Sparschwein zu sein, das immer danngeschlachtet wird, wenn Geld fehlt». Im öffentlichen Dienst seienmehr als zwei Millionen Arbeitsplätze verschwunden. Jetzt solltennochmals 250 000 wegfallen. Der Beamtenbund zeigte sich solidarisch.Angesichts von mehr als fünf Millionen Arbeitslosen seien längereArbeitszeiten unverantwortlich, sagte dbb-Chef Peter Heesen der«Passauer Neuen Presse». Auch bei den Beamten wachse der Frust. Nacheiner vom «Focus» in Auftrag gegebenen Umfrage zeigten 51 Prozent derDeutschen Verständnis für die Streiks.