Nürnberger Prozesse Nürnberger Prozesse: Vor 60 Jahren begann Strafverfolgung gegen Nazi-Verbrecher

Nürnberg/dpa. - Einer waruntergetaucht, einer hatte vor Prozessbeginn Selbstmord begangen.Stellvertretend für die Weltgemeinschaft saßen in Nürnberg die vieralliierten Siegermächte USA, Sowjetunion, England und Frankreich überdie angeklagten Hitler-Schergen zu Gericht - darunter auchReichsmarschall Hermann Göring und Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß.
Aber nicht allein die Gräueltaten der Nazis, die bei dem Prozessgeahndet werden sollten, machte das Verfahren des InternationalenMilitärgerichtshofs (IMT) zu einem weltweit beachteten Ereignis. Fürnicht minder bedeutsam halten Rechtshistoriker den Umstand, dasserstmals in der Geschichte der Menschheit Staatsführer für die vonihnen befohlenen Verbrechen persönlich zur Verantwortung gezogenwurden. Bislang waren nach verlorenen Kriegen immer Staaten und ihreVölker für den Krieg verantwortlich gemacht und dafür von denSiegermächten mit Abgaben und Reparationen belegt worden.
Tatsächlich machte das bei den Nürnberger Prozessen erstmalsvölkerrechtlich angewandte Prinzip der persönlichen Haftung baldschon weltweit Schule: Am 11. Dezember 1946 erklärten die VereintenNationen das bei den Prozessen angewandte Recht zum Völkerrecht. Nochheute sprechen Jurtisten weltweit von den «Nuremberg Principles».
Allerdings bedurfte es zäher Verhandlungen der westlichenAlliierten, um auch die Sowjetunion von der Notwendigkeit einesfairen Prozesses nach angloamerikanischem Recht gegen die NS-Führungsriege zu überzeugen. Die Moskauer Führung hatte eher an einenSchauprozess gedacht, bei dem die Todesstrafe von vornehereinfestgestanden hätte. Auch kostete es die USA vielVerhandlungsgeschick, um das in der amerikanischen Zone gelegeneNürnberg als Schauplatz des Prozesses gegen sowjetische Widerständedurchzusetzen. Erst nach der Zusage, Berlin zum offiziellen Sitz desTribunals zu erklären, willigten die Sowjets in Nürnberg alsVerhandlungsort ein.
Für Nürnberg hatte nicht zuletzt der in den Bombennächtenunversehrt gebliebene Justizpalast an der Fürther Straße gesprochen.Mit seinen 530 Büros und rund 80 Sälen bot er ausreichend Platz fürdie rund 1000 Prozessmitarbeiter. Zudem gab es eine direkteunterirdische Verbindung zu dem benachbarten Gefängnistrakt. Auch derUmstand, dass Nürnberg während der NS-Herrschaft als Ort der NSDAP-Reichsparteitage eine große Bedeutung im «Dritten Reich» hatte, hatnach Einschätzung von Historikern eine Rolle bei der Wahl desProzessortes gespielt.
Während des Prozesses glich der bis heute existierendeJustizpalast einer Festung. Aus Angst vor Racheaktionen der NS-Widerstandsgruppe «Werwolf» war die Umgebung abgeriegelt. Zum Schutzdes Prozesses bot jeder der vier Alliierten eine kleine Streitmachtauf. An vielen Stellen des Stadtviertels waren Panzer postiert. DieStraßenbahn durfte auf dem Weg von der Nürnberger Innenstadt nachFürth vor dem Justizpalast nicht halten, die Fahrgäste nicht einmalaus den Fenster schauen. «Wenn sich jemand auf der offenen Plattformzu weit nach außen beugte, gaben die Soldaten sofort Warnschüsse ab»,berichteten Zeitzeugen.
Gleich zu Beginn des Prozesses untermauerte der US-ChefanklägerRobert H. Jackson seine vier Anklagepunkte - Verschwörung gegen denWeltfrieden, Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen undVerbrechen gegen die Menschlichkeit - mit harten Fakten: Ein imGerichtssaal gezeigter Film verdeutlichte das von den Alliierten inden Nazi-Konzentrationslagern angetroffene Grauen. Alle Angeklagtenerklärten sich dennoch nicht schuldig. Einige klagten sich später imProzessverlauf selbst an. Nach nur elf Monaten verlas das Gericht dieUrteile: Zwölf Mal Tod durch den Strang, drei Mal lebenslänglich,vier Freiheitsstrafen von 10 bis 20 Jahren, drei Freisprüche.