NSA-Untersuchungsausschuss NSA-Untersuchungsausschuss: Sonderermittler soll beim BND abgeschrieben haben

Berlin - Unmittelbar vor dem heutigen Auftritt des von der Bundesregierung zur Aufklärung der BND-Spionage eingesetzten Sonderermittlers Kurt Graulich vor dem NSA-Untersuchungsausschuss sind massive Zweifel an seiner Unabhängigkeit aufgetaucht. Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung"
soll der ehemalige Richter am Bundesverwaltungsgericht in seinem 262 Seiten umfassenden Bericht zentrale rechtliche Bewertungen teils wörtlich und ohne Quellenangabe aus einem vier Seiten langen, vertraulichen Kurzgutachten des Bundesnachrichtendienstes (BND) übernommen haben.
Rechtfertigung mit Weltraum-Theorie
Der in der vergangenen Woche öffentlich vorgestellte Abschlussbericht Graulichs befasst sich mit den NSA-Selektoren, das heißt jenen Stichworten, mit denen der US-amerikanische Geheimdienst seinen deutschen Partner BND versorgte, damit dieser die Suchbegriffe in seine eigenen Überwachungssysteme einspeise. In seinem Bericht bestätigt Graulich die Rechtsauffassung des deutschen Auslandsgeheimdienstes in zwei entscheidenden Punkten. Er schließt sich erstens der so genannten Weltraum-Theorie an, mit der der BND die Überwachung der Satelliten-Kommunikation im Standort Bad Aibling zu rechtfertigt. Weil die entsprechenden Daten im Weltraum erfasst würden, seien sie nicht vom Grundgesetz geschützt.
Austausch von Metadaten
Zweitens übernimmt Graulich die Einschätzung des BND, wonach der praktisch unbeschränkte Austausch von Metadaten – beispielsweise E-Mail- und IP-Adressen – zulässig sei. Der BND rechtfertigt das mit der Begründung, Metadaten seien grundsätzlich nicht personenbezogen und entsprechend auch nicht gesetzlich geschützt. Beide Positionen sind unter Juristen nicht nur umstritten, vielmehr werden sie von der herrschenden Meinung – unter anderem vom ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgericht, Hans-Jürgen Papier – entschieden abgelehnt.
In seinem Bericht hatte der von der Bundesregierung beauftragte und bezahlte Sonderermittler die Positionen des deutschen Nachrichtendienstes übernommen, dem US-Geheimdienst hingegen schwere Vorhaltungen gemacht. Die NSA habe Regierungseinrichtungen in Europa ausgespäht und damit klar gegen vertragliche Vereinbarungen verstoßen.
Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Graulich sagte Konstantin von Notz, Obmann der Grünen im NSA-Untersuchungsausschuss, der Süddeutschen Zeitung: „Wir sehen unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigt." Die Vertrauensperson Graulich habe „Vertrauen in BND und Bundesregierung zerstört". Grüne und Linke hatten an der Konstruktion des Sonderermittlers von Anfang an gezweifelt. Inzwischen klagen sie vor dem Bundesverfassungsgericht mit dem Ziel, die Liste mit den NSA-Selektoren selbst einzusehen.